Die Wahl haben

Von Ahmad Ibesh · · 2023/Jan-Feb
Gedanken von Welt

Die Staatsbürgerschaft samt Wahlrecht kann man nicht geschenkt bekommen. Ein erleichterter Zugang wäre aber wünschenswert.

Ich bemühe mich gerade um die österreichische Staatsbürgerschaft und vorweg: ich sehe sie als wertvolles Gut, das nicht wahllos verschenkt werden sollte. Allerdings, in Österreich ist es – bekanntermaßen – besonders schwierig, sie zu bekommen.

Ich lebe seit sieben Jahren in Österreich, habe meinen Pflichtschulabschluss und meine Gesellenprüfung im Schneidern gemacht. Weil es noch keine zehn Jahre sind, muss ich die Deutschprüfung B2 erfolgreich ablegen. Das ist Maturaniveau und meine größte Herausforderung. In anderen europäischen Staaten wird weniger verlangt, in den Niederlanden nur A2.

Darüber hinaus muss ich in Österreich nachweisen, dass ich in den vergangenen Jahren eine gewisse Summe im Monat verdient habe und nicht von Sozialleistungen abhängig war. Natürlich muss ich zudem einen Staatsbürgerschaftstest machen. Von dem, was da abgefragt wird, habe ich aber vieles schon nebenbei gelernt. 

Was ich aber auf jeden Fall noch besser verstehen möchte, vor allem, weil ich mit der Staatsbürgerschaft das Wahlrecht erhalte, ist die österreichische Politik.

Als Syrer habe ich lange in einer Diktatur gelebt. Ich bin, wie der Rest meiner Familie, nie wählen gegangen, weil der Ausgang ohnehin immer feststand. Seitdem Baschar al-Assad das erste Mal im Jahr 2000 das Präsidentenamt antrat, ist er an der Macht geblieben. Aus diesem Grund habe ich mich auch nicht eingehend mit Politik beschäftigt. Wir konnten nichts verändern, durften nichts kritisieren. Man sagt über die Politik: „Sie ist wie Feuer, wenn du es angreifst, verbrennst du dich.“

Hier aber brenne ich darauf, mich mit Politik zu beschäftigen, um verantwortungsvolle Entscheidungen treffen zu können. Angesichts der Tatsache, dass bei der Bundespräsidentenwahl 2022 mangels Staatsbürgerschaft aber 1,4 Millionen Menschen in Österreich nicht wählen durften, hoffe ich sehr, dass der Zugang zur Staatsbürgerschaft und damit zum Wahlrecht ganz im Sinne der demokratischen Mitbestimmung bald erleichtert wird.

Ahmad Ibesh, 29, kommt aus Aleppo in Syrien. Als er mit 19 in die Armee sollte, floh er in die Türkei und kam 2015 nach Österreich. Seither lebt er als Schneider von seinem Label „Herzgenäht“ und als Verkäufer in einem Möbelhaus in Kärnten.

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