Afrika: Mehr Mädchen-Schwangerschaften

Von Martina Schwikowski aus Südafrika · ·
Eine Mutter mit ihrem neugeborenen Baby
Vielen Eltern sind in der Pandemie noch weiter verarmt und haben die Töchter deswegen früher verheiratet © World Bank Photo Collection CC-BY-NC-ND 2.0

Covid-19 hat in Afrika mehr Armut und Ungleichheit zur Folge, nicht zuletzt durch vermehrte Teenager-Schwangerschaften während der Pandemie.

In Afrika steigen die Zahlen von Schwangerschaften bei Teenagern – als Lockdown-Folge in Ländern quer über den Kontinent. Einer der Gründe, z. B. in Südafrika: Junge Mädchen haben kaum noch Zugang zu Verhütungsmitteln oder die Möglichkeit für einen Schwangerschaftsabbruch. Internationale Hilfsorganisationen warnen vor den Langzeitfolgen. Laut UNICEF gehören Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt weltweit zu den Haupttodesursachen bei Frauen zwischen 15 und 19 Jahren.

In Kenia seien viele Anlaufstellen für Jugendliche und junge Erwachsene in Notsituationen sowie Schulen laut der afrikanischen Hilfsorganisation Amref (African Medical and Research Foundation)  viele Monate geschlossen gewesen. Wenn diese Auffangnetze wegfallen, gibt es im ostafrikanischen Land für die Mädchen keinen Schutz vor sexuellem Missbrauch und niemanden, der sie über sexuelle und reproduktive Gesundheit aufklärt. Nach Einschätzung von Amref gilt dieser Trend für den ganzen Kontinent.

Frühe Heirat wegen wachsender Armut
Im Nachbarland Uganda nennt der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) auch die wachsende Armut als einen Grund für die steigenden Zahlen bei Teenager-Schwangerschaften. UNFPA-Vertreter Edson Muhwezi warnt: „Wer arm ist, neigt dazu, die Mädchen früh zu verheiraten. Die Eltern erhalten Brautgeld, oft auch Vieh“, sagt er. Covid-19 habe diese Situation durch den Lockdown und die verschlechterte Wirtschaftslage verstärkt. Nach Angaben der Regierung ist vor der Pandemie eine von vier Jugendlichen schwanger geworden. Jetzt seien es fast eines von drei Mädchen.

Ein Blick nach Südafrika: Die Zahl der Kinder, die von jugendlichen Müttern in Südafrikas bevölkerungsreichster Provinz Gauteng geboren werden, ist seit Beginn der Covid-19-Pandemie um 60 Prozent gestiegen. Das sagt die Kinderhilfsorganisation „Save the Children“ in ihrem aktuellen Bericht. Zahlen des Gesundheitsministeriums von Gauteng zeigen, dass zwischen April 2020 und März 2021 mehr als 23.000 Mädchen unter 18 Jahren ein Kind zur Welt brachten – davon 934 unter 14 Jahren. Ein Jahr zuvor waren es rund ein Drittel weniger gewesen.

Ausbildung durch Schwangerschaft beeinträchtigt
Marumo Sekgobela, Gesundheits- und Ernährungsmanagerin bei Save the Children Südafrika, betont: Die weltweite Pandemie berge die Gefahr, dass Mädchen auf dem Weg ins Erwachsenenalter nicht umkehrbare Rückschläge erlitten und bereits erlangte Fortschritte – vor allem in der Bildung – verloren gingen: „Wir ermutigen sie, die Kliniken für die medizinische Grundversorgung in ihren Gemeinden aufzusuchen“, sagt sie.

Vorsorgeuntersuchungen, Beratungen bei Sozialarbeiter*innen und offene Gespräche mit den Eltern seien laut Sekgobela entscheidend. Die Welle der frühen Schwangerschaften habe Konsequenzen für die Betroffenen: „Die Ausbildung der jungen Mütter wird beeinträchtigt, und die meisten werden wahrscheinlich die Schule abbrechen. Damit wird ein Kreislauf der Kinderarmut fortgesetzt, den viele junge Mädchen in Südafrika bereits durchlaufen.“ Auch gebe es gesundheitliche Risiken: Es könnte zu Komplikationen wie Bluthochdruck oder zu hohen Blutzuckerwerten während der Schwangerschaft führen.

Hohe HIV-Infektionsrate
Die hohe Schwangerschaftsrate bei Teenagern habe auch den Kampf gegen HIV/AIDS in Südafrika zurückgeworfen, denn die Infektionsraten seien bei den Schwangeren recht hoch. Dazu komme ein weiterer negativer Faktor: Mehr sexuelle Gewalt bzw. Vergewaltigungen während der Lockdowns.

Wie können Teenager-Schwangerschaften verhindert werden? Sekgobela von Save the Children Südafrika: „Wir brauchen eine umfassende Sexualerziehung, die jungen Menschen in und außerhalb der Schule angeboten werden sollte.“ Die Politik und zivile Organisationen müssten das vermehrt umsetzen, auch traditionelle Oberhäupter und religiöse Führer in Gespräche mit einbeziehen.

„Wenn wir nicht schnell und entschlossen handeln, werden die Auswirkungen auf die Zukunft der Mädchen – und auf unser aller Zukunft – verheerend sein“, betont Sekgobela. „Noch nie war es so wichtig wie heute, Teenager zu befähigen, ihre sexuelle Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen, um gesund zu bleiben“, so die Gesundheits- und Ernährungsmanagerin.

Martina Schwikowski arbeitete von 1995 bis 2015 als Korrespondentin für deutschsprachige Medien im südlichen Afrika. Seit 2015 ist sie auch für die Deutsche Welle im Einsatz und pendelt zwischen ihrem Wohnsitz in Johannesburg und Deutschland.

Basic

Berichte aus aller Welt: Lesen Sie das Südwind-Magazin in Print und Online!

  • 6 Ausgaben pro Jahr als Print-Ausgabe und/oder E-Paper
  • 48 Seiten mit 12-seitigem Themenschwerpunkt pro Ausgabe
  • 12 x "Extrablatt" direkt in Ihr E-Mail-Postfach
  • voller Online-Zugang inkl. Archiv
ab € 25 /Jahr
Abo Abschließen
Förder

Mit einem Förder-Abo finanzieren Sie den ermäßigten Abo-Tarif und ermöglichen so den Zugang zum Südwind-Magazin für mehr Menschen.

Jedes Förder-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

84 /Jahr
Abo Abschließen
Soli

Mit einem Solidaritäts-Abo unterstützen Sie unabhängigen Qualitätsjournalismus!

Jedes Soli-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

168 /Jahr
Abo Abschließen