Afrikanische Antworten

Von Bettina Rühl · · 2014/02

In Karen bei Nairobi entwickelt der Erfinder Dominic Wanjihia Lösungen, die Familien
im ländlichen Kenia helfen sollen.

Die Küken in ihrer Aufzuchtbox auf dem Gelände der Firma von Dominic Wanjihia benehmen sich so, wie sich alle Küken benehmen, die erst anderthalb Wochen alt sind: Sie klettern unbeholfen übereinander, trinken gelegentlich etwas Wasser, picken Futter. Nur etwas ist hier anders: Sie drängeln sich nicht alle auf einer Stelle. „Normalerweise wollen alle Küken in die Nähe der Wärmequelle“, erläutert Wanjihia, „und dabei erdrücken sie sich gegenseitig.“ In den konventionellen Aufzucht-Anlagen steht die Wärmequelle in der Mitte des Käfigs auf dem Boden, die Jungtiere drängeln sich drum herum. „Dabei weiß ja jeder, dass Hitze nach oben steigt.“

Der Kenianer hat daher eine Aufzuchtbox auf Stelzen gebaut, die Wärmequelle steht unter dem Boden. Weil die Hitze von unten kommt und gleichmäßig verteilt ist, konzentrieren sich die Küken nicht an einem Punkt.

Dominic Wanjihia entwickelt gerne Dinge, die das Leben der ärmeren Kenianerinnen und Kenianer vereinfachen. Und Dinge, die helfen, die Umwelt zu schonen. Wanjihia hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Früher hat er als Tauch- und Surflehrer gearbeitet, dann Autos repariert. Nun ist er Erfinder. Weil seine Lösungen scheinbar wie von alleine ineinander greifen, nannte er seine Firma „Simply Logic“, „einfach logisch“.

Wanjihia lacht gern, der Schalk blitzt ihm aus den Augen. Wenn er erzählt, verpackt der Tüftler gekonnt trockene physikalische Sachverhalte in anschauliche Geschichten. Auf die Idee für die adaptierte Küken-Aufzuchtbox kam er über Umwege: Wanjihia wollte ausprobieren, ob er bei der Küken-Aufzucht Biogas verwenden kann, von dem er jede Menge hat. Denn die Aufzucht von Küken stellt die kenianischen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die sich mit der Hühnermast ein kleines Zubrot verdienen wollen, vor verschiedene Probleme: Die herkömmlichen Aufzuchtboxen führen nicht nur dazu, dass sich die Tiere gegenseitig erdrücken, sondern auch zu Energieverschwendung.

Der Großteil der Wärme entweicht ungenutzt nach oben. Das ist schlecht für das Klima, und schlecht für die Bäuerinnen und Bauern: Sie geben viel Geld für Feuerholz, Kohle, Benzin, Gas oder Strom aus. Bäuerinnen und Bauern, die eine Biogas-Anlage besitzen, sparen sich mit Wanjihias Aufzuchtbox-Modell die Ausgaben für teure Energieträger. Mit rund 600 Küken lassen sich dann im Monat umgerechnet um die 800 Euro verdienen, rechnet Wanjihia vor – eine ansehnliche Summe in Kenia, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebt und der Mindestlohn bei 6.000 kenianischen Shilling (rund 55 Euro) liegt.

Das Praktische dran: Wanjihia kann auch die Biogasanlagen bauen. Rund 400 Anlagen hat er in Kenia bereits installiert. Jede Woche werden es mehr.

Wer mit Wanjihia über sein Grundstück geht, stolpert beinahe über die vielen Erfindungen. Darunter sind ein transportabler Teich für die Fischzucht, ein Kühlschrank, der ohne Strom funktioniert, und eine Maschine zum Dreschen von Reis. Der Erfinder bleibt vor drei unterschiedlich großen länglichen Gebilden stehen, die mit einer milchig-transparenten Plastikplane bedeckt sind und im knöchelhohen Gras liegen. Sie haben vorne und hinten ein kurzes Rohr als Öffnung, ansonsten könnte man sie für kleine Gewächshäuser halten. Es handelt sich um Wanjihias Biogasanlagen. Bei der Entwicklung der Anlagen hat er sich unter anderem von Gewächshäusern inspirieren lassen.

Denn beim Biogas geht es ja auch um Wachstum: Um die Vermehrung von Bakterien bei der Vergärung von Biomasse. Dabei entsteht Methangas. Das kleinste Modell seiner Biogasanlagen kostet umgerechnet 350 Euro und produziert genug Gas für alles, was eine typische Familie im ländlichen Kenia kochen will. Klar, Biogasanlagen gab es schon vor Wanjihias Variation. Seine Modelle unterscheiden sich allerdings von der Norm: Sie bestehen aus faltbaren Plastikteilen und sind damit leicht zu transportieren. Und sie sind viel billiger als herkömmliche Anlagen.

Viele seiner Entwicklungen gibt es bereits in anderer Form, aber Wanjihia verbessert sie, bis sie für die Anforderungen der Menschen genau passen. „Eine der größten Befriedigungen für mich ist, wenn ich dabei bin, wie ein Kunde zum ersten Mal die Gasflamme der Biogas-Anlage anzündet“, sagt Wanjihia. „In diesem Moment seine Augen zu sehen, gibt mir mehr Zufriedenheit, als mir Geld je verschaffen könnte.“

Bettina Rühl ist freiberufliche Journalistin mit dem Schwerpunkt Afrika und arbeitet für mehrere Zeitungen sowie den Hörfunk der ARD. Sie lebt in Nairobi.

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