Auf den Spuren des Anderen

Von Werner Hörtner · · 2007/12

Ein neuer österreichischer Verlag bemüht sich, über historische literarische Texte aus anderen Kulturen geistige Begegnungen und Erfahrungen zu fördern. Am Beginn stehen ein Inka-Epos und ein muslimischer philosophischer Roman.

Rund um den Philosophie-Professor Franz Michael Wimmer hat sich an der Universität Wien in den letzten eineinhalb Jahrzehnten eine Gruppe von Personen zusammengefunden, die den Prozess der Globalisierung auch auf das Philosophieren in anderen kulturellen Traditionen ausweitet. In der von der „Wiener Gesellschaft für interkulturelle Philosophie“ herausgegebenen Zeitschrift „Polylog“ finden diese Bemühungen um eine Erweiterung des geistigen Horizonts seit Jahren einen fruchtbaren Niederschlag.
Aus dem Umfeld dieser Gesellschaft kommt auch Viktoria Frysak, die bei Professor Wimmer Philosophie studierte und nun den Verlag Viktoria ins Leben rief. „Mit dieser Edition wollte ich für jeden, der sich darauf einlassen möchte, die Möglichkeit zu einer Begegnung mit dem Anderen geben. Ich habe darin so etwas wie eine Lebensaufgabe gefunden“, so die junge Verlagsgründerin über ihre Beweggründe.
Die Texte der drei ersten Bücher der neuen Edition sind ihr bereits im Laufe ihres Studiums begegnet und haben sie damals schon beeindruckt.
Die Inka-Herrscher, Führer jenes riesigen Reiches, das sich zur Blütezeit vom Süden Kolumbiens bis weit nach Chile und Argentinien hinein erstreckte, verstanden sich als die Söhne der Sonne. In dem nach einem strengen Moralkodex theokratisch organisierten Herrschaftssystem hatte alles seinen unverrückbaren Platz. Doch zu allen Zeiten schon trugen die Götter auch menschliche Züge; Missgunst, Bruderkrieg, Verrat und Hochmut waren den gottähnlichen Inkas in ihrer Praxis der Machtausübung keineswegs fremd.
Ollanta, ein verdienstvoller Krieger und Statthalter des Inka Pachacutek, verliebt sich unsterblich in dessen Tochter Cusi Koyllur. Als der Vater diese Verbindung rigoros verbietet, zettelt Ollanta einen Aufstand an und ruft sich selbst zum Inka aus. Doch seine Geliebte wurde mittlerweile vom Vater in ein modriges Verlies gesteckt, wo sie nun jahrelang dahinvegetiert.
Bei diesem Drama – das, so viel sei verraten, schließlich zu einem glücklichen Ende führt – handelt es sich um eine der wenigen Hinterlassenschaften der Inka-Dichtung. Der Text ist metrisch bearbeitet und auf Grundlage früherer Übersetzungen sprachlich neu gestaltet. Im Anhang folgen ausführliche Erläuterungen zur Geschichte und zum Leben im Reich der Inkas, zur Originalsprache, zur Geschichte des Textes.

Der Islam verbreitete sich nicht nur mit dem Schwert in rasanter Geschwindigkeit von Arabien bis nach Spanien im Westen und zur Hindu-Region im Osten. Früh setzte auch die Auseinandersetzung mit aristotelischer und neuplatonischer Philosophie ein. Viele griechische Schriften wurden ins Arabische übersetzt und insbesondere in den Bereichen Medizin, Mathematik und Naturwissenschaften weiter entwickelt. Mit Al-Farabi und Ibn Sina (Avicenna) erreichte die islamische Philosophie, die „Falsafa“, einen ersten Höhepunkt, dem dann Ibn Tufail und Ibn Ruschd (Averröes) aus dem heutigen Andalusien folgten.
Ibn Tufail, ca. 1105 in der Nähe von Granada geboren, war ein angesehener Lehrer, Arzt und Politiker. Sein Roman „Hayy Ibn Yaqdhan“ beschreibt den geistigen Entwicklungsprozess eines Menschen, der allein auf einer Insel aufwächst. Alle Erfahrung erwächst aus seinem eigenen Denken, das ihn schließlich zur Anschauung der höchsten Schöpferkraft führt.
Auch in diesem zweiten Band der Edition Viktoria bestechen wieder das sorgfältige Lektorat und die ausführlichen Hintergrundinformationen zum Verständnis des Textes, der zur Zeit der Aufklärung in Europa viel gelesen wurde. Mit seinem kritisch-aufklärerischen Ansatz hat er auch heute nichts an Aktualität verloren.
Als dritter Titel sind bereits die „Untersuchungen“ des äthiopischen Denkers Zär’a Yaqob aus dem 17. Jahrhundert in Vorbereitung – ein Plädoyer gegen religiösen Fanatismus und für die Bedeutung der Vernunft. Viktoria Frysak über die drei Bücher: „Es sind im Grunde genommen Lesetexte für ein breites Publikum, Geschichten, die einfach nur all unsere menschlichen Fragen, Gedanken, Wünsche und Hoffnungen vor dem Hintergrund einer jeweils anderen Gedankenwelt erzählen.“ Man darf auch auf die späteren Publikationen gespannt sein – und der Edition ein langes Leben wünschen.

Buchpräsentation siehe Hinweis auf Terminseite 50 „Philosophie im Islam“.

Weitere Informationen zum Verlag auf www.editionviktoria.at und zum Thema auf www.polylog.net sowie www.wigip.org

Luisa Dietrich-Ortega, Viktoria Frysak (Hg.): Ollanta. Ein Inka-Schauspiel
Edition Viktoria, Wien 2007,
144 Seiten, EUR 19,20

Ibn Tufail: Hayy Ibn Yaqdhan. Ein muslimischer Inselroman
Hg. : Jameleddine Ben Abdeljelil und Viktoria Frysak.
Edition Viktoria, Wien 2007,
152 Seiten, EUR 20,00

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