Auf zum nächsten Gipfel

Von Judith Zimmermann · · 2002/07

Am 26. August beginnt im südafrikanischen Johannesburg das „Welt-Gipfeltreffen zur Nachhaltigen Entwicklung“. Und wie üblich wird das Großereignis vom Prinzip Hoffnung und schönen Worten begleitet.

Zehn Jahre nach der großen UN-Konferenz für Nachhaltige Entwicklung in Rio de Janeiro bereiten sich Regierungen und Zivilgesellschaft auf ein Resümee des damals verabschiedeten Aktionsprogramms Agenda 21 vor. Im Vorfeld zum Johannesburger Gipfel haben mehrere internationale Konferenzen, wie die zur Entwicklungsfinanzierung in Monterrey, Mexiko, und zuletzt die zur Welternährung in Rom, stattgefunden. Deren Ergebnisse – oder Nicht-Ergebnisse – werden auch in Südafrika eine Rolle spielen.
Was hat man sich eigentlich vor zehn Jahren für Ziele gesteckt bzw. für Zugeständnisse gemacht? Tatsache ist, dass das Thema Nachhaltigkeit damals zum ersten Mal in der Geschichte der UN-Konferenzen verhandelt und diskutiert wurde. Das Wort Nachhaltigkeit, das seither zum Modebegriff geworden ist, beinhaltet nicht nur den schonenden Umgang mit bzw. Nutzung der Ressourcen, sondern auch die Wiederherstellung der Natur. In Rio wurde auf die Verbindung zwischen der Zerstörung der Natur und der Armut der Länder des Südens hingewiesen. Das damals ausgearbeitete Konzept der Agenda 21, das sowohl ökologische wie auch entwicklungspolitische Ziele zum Inhalt hat, wurde auch unter der Devise „wie lassen sich Wirtschaftswachstum und Umweltschutz vereinbaren?“ ausgearbeitet. Interessant ist, dass viele Länder des Südens kritisierten, der Terminus „Nachhaltige Entwicklung“ sei ein Widerspruch in sich selbst, denn er definiere sich über Wachstum, Handelsliberalisierung und Effizienz, was ja eigentlich eine Ausbeutung der Ressourcen bedeute.

Innerhalb der letzten zehn Jahre waren einige substantielle Rückschritte in Bezug auf nachhaltige Entwicklung – im Sinne der Ressourcenschonung und -erhaltung – zu beobachten. Die Welthandelsorganisation (WTO) wurde gegründet, deren Regeln Vorrang vor jedem multilateralen Umweltabkommen haben. Verträge zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen der Industrieländer wurden von einigen Staaten nicht ratifiziert. Außerdem ist der Prozess der Globalisierung mit seinen negativen Auswirkungen in den letzten Jahren stark vorangeschritten.
Trotzdem gab es auch ein Umdenken in den Industrieländern. Während noch in Rio Armut und Ressourcenausbeutung (zur Armutsbekämpfung) in einem Atemzug genannt wurden, werden heute indigene Gemeinschaften im Süden als maßgebliche Erhalter der Umwelt anerkannt.
Im April 2001 liefen die Vorbereitungstreffen für Johannesburg an. Für das vierte und letzte dieser Treffen, das auf der indonesischen Insel Bali auf Ministerebene stattfand, hatten sich die Vereinten Nationen hohe Ziele gesteckt. Man wollte eine gehaltvolle Deklaration verabschieden. Diese scheiterte aber an dem fehlenden politischen Willen mancher Industrieländer, unter ihnen die USA, Kanada, Japan und Australien. Die Themen, über die man sich einigen konnte und die deshalb einen prominenten Platz auf der Tagesordnung in Südafrika einnehmen werden, sind Wasser, Energie und Armutsbekämpfung, wobei letztere vom Gastgeberland stark eingefordert wurde. Nach den dürftigen Resultaten der letzten Vorbereitungssitzung ist es recht unrealistisch, dass das eigentliche Thema „Nachhaltigkeit“ oberste Priorität beim Weltgipfel haben wird.
Ausschlaggebend für eine erfolgreiche Konferenz in Johannesburg wird weiters auch der bevorstehende G-8-Gipfel der führenden Industrienationen in Kanada sein. NGOs gehen davon aus, dass sich die Industrieländer für ihre Vorteile einsetzen und somit die so genannte Agenda für Johannesburg in ihrem Sinne beeinflussen werden.
Bleibt die Frage offen, wie an dem so genannten Millenniums-Ziel – also die Halbierung der Armut bis 2015 – festgehalten werden kann, wenn es nicht einmal auf der Konferenz für Umwelt und Entwicklung bindende Zugeständnisse der reichen Nationen gibt.

In Österreich haben sich genau ein Jahr vor dem Beginn der Nachfolgekonferenz von Rio, im September 2001, 41 NGOs aus dem umwelt- und entwicklungspolitischen Bereich zusammengeschlossen („Plattform für Umwelt und Entwicklung“) und Forderungen an die Bundesregierung formuliert. Nicht sehr überraschend ist die Tatsache, dass der Inhalt fast 1:1 von den Forderungen für Rio übernommen wurden. Dieser Katalog wurde der Regierung und den zuständigen Ressorts übermittelt. Deren Reaktion ließ vier Monate auf sich warten.
Erst als das Thema Johannesburg immer stärker diskutiert wurde, wurden erste Versuche seitens der Regierung unternommen, den kommenden Weltgipfel auch in der Öffentlichkeit zu thematisieren. Problematisch war dabei die Frage der Zuständigkeit für die einzelnen Themen – niemand fühlt sich wirklich zuständig. Dementsprechend schwierig gestaltete sich auch der Diskussionsprozess für die NGOs, die sich nicht stark genug in die Vorbereitungen eingebunden fühlten. Sie klagten über die fehlende politische Willensbildung und Kohärenz auf Bundesebene.
Zwar gab und gibt es im Vorfeld zum Gipfel immer wieder Informationsveranstaltungen bzw. wurden Strategien erarbeitet, bei denen die österreichische Regierung die Wichtigkeit von Nachhaltiger Entwicklung betont – doch die Zugeständnisse sind fadenscheinig. Österreich versteckt sich hinter der EU-Position bzw. hinter Anliegen der Staatengemeinschaft, sodass man schwer nachvollziehen kann, auf welche Inhalte hinsichtlich Nachhaltigkeit und internationaler Verantwortung sich unser Land tatsächlich konzentriert. Und die EU ist momentan mit internen Problemen beschäftigt, die durch die schwache spanische Präsidentschaft akzentuiert werden. Bleibt nur zu hoffen, dass sich die offiziellen VertreterInnen Österreichs beim kommenden Erdgipfel stärker für die Länder des Südens einsetzen werden.

Die Autorin ist Bildungs- und Fachreferentin der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission und wird als NGO-Vertreterin am Gipfel von Johannesburg teilnehmen.

Basic

Berichte aus aller Welt: Lesen Sie das Südwind-Magazin in Print und Online!

  • 6 Ausgaben pro Jahr als Print-Ausgabe und/oder E-Paper
  • 48 Seiten mit 12-seitigem Themenschwerpunkt pro Ausgabe
  • 12 x "Extrablatt" direkt in Ihr E-Mail-Postfach
  • voller Online-Zugang inkl. Archiv
ab € 25 /Jahr
Abo Abschließen
Förder

Mit einem Förder-Abo finanzieren Sie den ermäßigten Abo-Tarif und ermöglichen so den Zugang zum Südwind-Magazin für mehr Menschen.

Jedes Förder-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

84 /Jahr
Abo Abschließen
Soli

Mit einem Solidaritäts-Abo unterstützen Sie unabhängigen Qualitätsjournalismus!

Jedes Soli-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

168 /Jahr
Abo Abschließen