Breaker Lil Zoo im Porträt

Von Elisabeth Förg · · 2024/Mar-Apr
© Little Shao / AFP / picturedesk.com

Der marokkanische Breakdancing-Star Lil Zoo wird im Sommer bei den Olympischen Spielen in Paris für Österreich antreten. Sein Weg führte aus einem Vorstadtviertel von Casablanca an die Weltspitze.

Erfolg bedeute für ihn nicht, eine Trophäe oder eine Medaille zu gewinnen. Erfolg sei, das zu tun, was einem gefällt. Er habe nie Breaking gemacht, um zu gewinnen, sondern immer, um sich gut zu fühlen, sagt Lil Zoo beim Gespräch im Innsbrucker Street Motion Studio über sein Leben und seine Sport-Karriere.

Breakdance ist heuer erstmals eine olympische Disziplin. „Natürlich gebe ich bei jedem Wettbewerb mein Bestes und versuche zu gewinnen. Aber mein wahrer Erfolg ist der Tag, an dem ich zu tanzen begonnen habe“, fügt er hinzu.

Mit 14 spielte Lil Zoo wie viele andere Kids im marokkanischen Casablanca ständig Fußball. Wenn es zu Hause nicht so gut lief, trieb er sich auch nachts auf den Straßen herum und verkroch sich zum Schlafen in einem Park. Auf einem dieser Streifzüge stieß der Junge auf eine Gruppe, die zu wilder Musik verrückte Bewegungen machten.

Es war Liebe auf den ersten Blick. Jeden Abend trainierte er fortan mit der Breaking Crew „King Zoo“, die ihn „Lil (little) Zoo“ taufte – weil er der Jüngste war. „Ich mochte diesen Namen zuerst nicht, aber dann nannten sie mich erst recht so. So ist das in Marokko“, sagt der heute 30-Jährige mit breitem Lachen.

Mütterliche Unterstützung. Anfangs war die Mutter skeptisch. Doch als sie nach einigen Monaten sah, wie muskulös und zuversichtlich ihr schmächtiger Sohn geworden war, mit welcher Freude und Begeisterung er sich ins Training warf, ermutigte sie ihn weiterzumachen.

Während andere Jugendliche in seinem Wohnviertel in Drogen und Kleinkriminalität abgedriftet sind, tanzte und trainierte Lil Zoo. „Ich hatte so ein großes Glück, eine offene und aufgeschlossene Mutter zu haben. Sie hat mich verstanden und voll unterstützt.“

Selbst dass die Schule nicht mehr Vorrang hatte, akzeptierte sie. „Ich war ein kluges Bürschchen. Ich bin in die Schule gegangen, aber ich wusste, ich bin nicht für die Schule gemacht, ich verliere dort nur meine Zeit“, erinnert er sich und sagt: „Das Leben in Marokko ist wirklich hart. Du kannst sogar studieren und findest keine Arbeit. Das ist das Schlimmste. No opportunities, keine Perspektiven.“

Bereits vier Jahre nach seiner „Berufung“ konkurrierte Lil Zoo an der Weltspitze mit. Seine Wurzeln, die Erfahrungen seiner Kindheit, Trauer, Wut, Angst, Glück, all seine Gefühle hat er in den Tanz gesteckt und seinen ganz eigenen Stil kreiert. Spielerisch tänzelnde Elemente wechseln abrupt zu heißen, rasanten, akrobatischen Drehungen, Wendungen und Sprüngen mit überraschenden „Freezes“, Figuren, in denen Breaker:innen die Bewegung stoppen und für einen Moment in Stille verharren. „Breaking ist viel mehr als Sport. Für uns geht es nicht darum, wer schnell ist, stark ist, höher springt. Es gewinnt, wer kreativ ist, wer Bewegungen entwickelt, die noch niemand vorher gemacht hat“, erklärt der Sportler-Tänzer-Akrobat-Künstler.

Zweite Heimat. In den vergangenen zehn Jahren hat er die Welt bereist, an unzähligen Bewerben in Afrika, Asien, Amerika und Europa teilgenommen und viele „Erfolge“ gefeiert. 2015 fand er in Innsbruck seine zweite Heimat, zufällig, wie er sagt. Es sei nicht zu groß und nicht zu klein, so könne er sich voll auf das Training konzentrieren. „Mir gefällt die Atmosphäre hier, alle treiben Sport, ich liebe Schnitzel und auch den Inn. Im eisigen Wasser zu baden ist das Beste, um die Muskeln zu entspannen. Niemand will es glauben, aber ich bin ein „winter guy“.

Unbeachtet von einer breiten Öffentlichkeit hat sich in der Bergsportmetropole eine pulsierende Breakingszene herausgebildet, rund am das Street Motion Studio, in dem Lil Zoo täglich, oder besser gesagt allnächtlich trainiert. Sein Körper sei am Morgen noch nicht bereit für Breaking, meint er dazu nonchalant. Doch er arbeite in Hinblick auf die Olympischen Spiele in Paris an einem anderen Lebensrhythmus. Denn diese berücksichtigen nicht die traditionelle Breaking-Kultur, die Bewerbe am Abend durchzuführen, sondern starten um acht Uhr in der Früh.

Und hat er einen Traum? Lil Zoo blickt bei dieser Frage nachdenklich vor sich hin, hebt den Kopf und sagt mit entschlossener Stimme: „Mein Traum ist gesund und glücklich zu sein. Natürlich ist es mein Ziel, für Österreich eine Goldmedaille zu gewinnen. Aber Träume sind was anderes.“

Elisabeth Förg arbeitet als freie Journalistin in Schwaz in Tirol zu den Themen Westafrika, Ernährungssicherung und Bildung. Sie interessiert sich besonders für Biographisches und unbekannte Lebenswelten.

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