Bushs Neue WeltUNordnung

Von Thomas Roithner · · 2002/10

Das Kriegsgeschrei um den Irak und das Gerede von den „Schurkenstaaten“ sollen die dahinter liegenden handfesten politischen Interessen verbergen, meint Thomas Roithner.

Das Muskelspiel von US-Präsident Bush und seinem Vize Dick Cheney gegenüber dem Irak dauert an. Die US-Regierung befände sich „nur am Anfang eines längeren Feldzuges“, so Cheney. Die heftige und immer lauter werdende Kritik im In- und Ausland haben den Sohnemann des einstigen „Wüstenstürmers“ veranlasst, die UNO vorübergehend wieder ins Spiel zu bringen. Dennoch herrscht kein Zweifel, dass die USA die UNO – deren Irak-Berichte sie immer wieder ignorieren – nur benützen, wenn sie sich davon Vorteile versprechen. Die offensive Infragestellung des Völkerrechts – seit dem Jugoslawien-Krieg 1999 – zeigt die Konturen der Neuen WeltUNordnung.
„Irak ist militärisch gesehen wieder ein Drittweltland geworden“, erklärt Hans von Sponeck, Ex-Koordinator des humanitären UN-Hilfsprogrammes für den Irak und ehemaliger Stellvertretender UN-Generalsekretär. „Man muss kein Spezialist für Massenvernichtungswaffen sein, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass diese Produktionsstätten harmlos gemacht wurden und seither in diesem Zustand geblieben sind“, so der ehemalige ranghohe UN-Beamte weiter (vgl. SWM Nr.6/02 S.22-23). Der ehemalige UN-Waffeninspekteur im Irak, Scott Ritter, bestätigt wie die Wiener Atomenergiebehörde auch, dass ein Angriff auf den Irak daher völlig ungerechtfertigt sei. Das Misstrauen des Irak gegenüber den UN-Inspektoren ist auch darin begründet, dass diese ihre Tätigkeit zur Spionage für die atomar gerüsteten USA missbrauchten.
Kritik am drohenden Krieg gegen den Irak ist nicht mit einer Unterstützung für das Regime in Bagdad gleichzusetzen, welches für Krieg, Morde und Vertreibungen verantwortlich ist.

Es gibt bisher keine veröffentlichten Beweise der USA für die Unterstützung von Al-Qaida oder anderen Terrorgruppen durch den Irak. Hans von Sponeck: „Der Öffentlichkeit wird im Zusammenhang mit Irak systematisch und organisiert die Unwahrheit gesagt.“
Ex-US-Justizminister Ramsey Clark beschreibt in seinem Buch „Wüstensturm. US-Kriegsverbrechen am Golf“ den „häufigen strategischen Wechsel in der US-Politik“. Der US-Linguist Noam Chomsky führt aus, dass Reagan und Bush senior mit Saddam Hussein „ungewöhnlich herzliche Beziehungen gepflegt hatten“, selbst als dieser 1988 Giftgas gegen die kurdische Bevölkerung einsetzte. „Saddam ist nicht wegen seiner umfangreichen Verbrechen zur ‚Bestie von Bagdad’ avanciert, sondern weil er die ihm gesetzten Grenzen überschritt“, so Chomsky. „Ein ‚Schurkenstaat‘ ist nicht einfach ein Verbrecherstaat, sondern einer, der die Regeln der Mächtigen missachtet.“
„Der Golfkrieg“, so der ehemalige Justizminister, „wurde nicht geführt, um Kuwaits Souveränität wiederherzustellen, sondern um die US-amerikanische Hegemonie über den Golf und den Zugang zu den Ölvorkommen zu sichern“. Heute geben die USA nach Berechnungen des Energieministeriums für die militärische Sicherung der Ölquellen im Nahen Osten 100 US-Dollar pro in die USA geliefertem Barrel Öl aus.
Die US-Rüstungsindustrie erlebt seit dem 11.9. enorme Wachstumsimpulse. Das Militärbudget betrug 2001 rund 310 Mrd. US-Dollar. Im Jahr 2002 sollen 343 Mrd. und im Folgejahr 396 Mrd. US-Dollar zur Verfügung stehen. Die mittelfristige Planung geht für 2007 von 469 Mrd. US-Dollar aus.

Die tatsächlichen Konfliktursachen dürfen in der Analyse neuer Kriege nicht aus den Augen verloren werden. Die künftigen Konflikte werden immer häufiger um Rohstoffe und geopolitische Interessen ausgefochten. Zur Legitimation dieser Kriege werden Friede und Menschenrechte als Argumente missbraucht.
China und Russland – sofern diese nicht wegen des eigenen militärischen Vorgehens gegen unliebsame Elemente einknicken –, die Arabische Liga sowie UN-Generalsekretär Kofi Annan haben Bush eine Abfuhr für seine Pläne erteilt. Die Staaten aus der Region haben auf eine Normalisierung der politischen und wirtschaftlichen Beziehung gesetzt. „Eine ganze Region“, so Sponeck, „wird als Folge des amerikanischen Wunsches nach einem politischen Wechsel im Irak destabilisiert“. Selbst Kuwait will heute vom Krieg nichts wissen.
Die EU-Außenminister haben auf die Wiederzulassung der Waffeninspektoren im Irak gedrängt, wohlwissend, dass auch deren Zulassung für die USA kein Grund ist, das Regime von Saddam Hussein nicht zu bombardieren. Im Gegensatz zu Tony Blair tritt der „EU-Außenminister“ oder „Mr. GASP“ Javier Solana gegen einen Präventivkrieg auf und sieht diesen auch nicht mit internationalem Recht vereinbar. Durch Ad-hoc-Militärallianzen der USA erfährt der Militärpakt NATO eine deutliche Abwertung.
Die EU muss – will sie tatsächlich als Friedensmacht wahrgenommen werden – die Prioritäten zwischen Zivilem und Militärischem umkehren. 60 000 Soldaten, die im Umkreis von 4000 km rund um die EU mitunter auch Kampfeinsätze mit oder möglicherweise ohne UN-Mandat tätigen können, sind keine Alternative zur US-Politik, sondern beinhalten das Potenzial, die antiwestliche Stimmung in vielen Teilen der Welt weiter zu schüren. Unbestritten ist hingegen – mit oder ohne Krieg – die Rolle der USA: der Hegemon einer neuen WeltUNordnung.

Thomas Roithner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Friedensforschungszentrum Schlaining.

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