„Das Bewusstsein der Menschen dekolonisieren“

Von Redaktion · · 2017/11

Wie Elisabeth Bakambamba Tambwe mit ihrer Kunst für Menschenrechte kämpft, hat sie Dieter Alexander Behr im Interview erzählt.

Wie würden Sie Ihre künstlerische Arbeit beschreiben?

Ich komme aus dem Bereich der Bildenden Künste, habe mit Malerei begonnen und mich dann auch der Bildhauerei gewidmet. Später habe ich auch mit verschiedenen Formen von Installationen und Skulpturen gearbeitet. Hier in Wien ist es mir gelungen, meine beiden liebsten Ausdrucksformen, die Bildhauerei und den Tanz, miteinander zu verbinden.

Bei den Wiener Festwochen sind Sie mit der Performance-Installation „Congo Na Chanel“ aufgetreten. Welche künstlerische Herangehensweise haben Sie dafür gewählt?

Ich habe sehr viel darüber nachgedacht. Zunächst gab es die Idee, ausschließlich eine Installation zu machen, bei der sich das Publikum mitbewegen sollte. Doch Stück für Stück ist der performative Teil der Arbeit ebenso wichtig geworden wie die Installation. Congo Na Chanel ist ein hybrides Stück, eine Art Collage zwischen verschiedenen Medien – dem Video, der Audiokunst sowie den genannten Perfomance-Elementen.

Woher kommt der Titel „Congo Na Chanel“?

Er spielt auf die Produkte ab, die wir hier in Europa konsumieren – seien es Handys oder andere Konsumgüter. Wir benutzen sie tagtäglich, ohne darüber nachzudenken, dass man für die Herstellung Coltan braucht. Dieser Rohstoff findet sich in großen Mengen im Osten des Kongo. Um das Coltan auszubeuten, werden Menschen von ihrem Land vertrieben. Die schlimmste Gewalt wird an Frauen verübt.

Elisabeth Bakambamba Tambwe wurde in Kinshasa in der Demokratischen Republik Kongo geboren und kam als Kind mit ihren Eltern nach Frankreich. Sie studierte Bildende Kunst an der École des Beaux-Arts in Tourcoing in Nordfrankreich und arbeitete danach am Centre National de la Danse bei Paris und im Theater Paris-Villette. Seit über zehn Jahren lebt und arbeitet Tambwe in Wien. In ihren Werken verschränkt sie zeitgenössischenTanz und Performance mit Bildender Kunst und Klang. Thematischer Schwerpunkt ist die Verteidigung der Integrität der Menschen gegen Ausbeutung und Gewalt.

Was müsste getan werden, um die Situation in der DR Kongo zu verändern?

In der ostkongolesischen Stadt Bukavu gibt es Denis Mukwege, einen großartigen Arzt im Panzi-Krankenhaus, der sich zur Aufgabe gemacht hat, die Frauen zu behandeln, die Vergewaltigungen zum Opfer fallen. Man wollte ihm seine ärztliche Lizenz entziehen. Es wurden Petitionen organisiert, damit er weiterhin in der Region arbeiten kann.

Generell muss man sagen, dass die Menschen im Kongo von den Reichtümern des Landes so gut wie gar nicht profitieren. Die Hoffnung, die es unmittelbar nach der Unabhängigkeit (1960, Anm. d. Red.) mit dem ersten Premierminister Patrice Lumumba gab, wurde zerschlagen, er wurde umgebracht.

Heute brauchen wir vor allem eine Nachvollziehbarkeit der Handelswege. Denn es wird ja nicht nur Coltan ausgebeutet, sondern auch Holz, Diamanten etc. Wir hier im globalen Norden sind allesamt Sklaven und Sklavinnen des Konsums geworden. Das muss sich unbedingt ändern.

Können Sie Congo Na Chanel auch in der DR Kongo zeigen?

Aufgrund der aktuellen Situation ist das leider nicht möglich. Präsident Joseph Kabila klammert sich mit allen Mitteln an die Macht. Die Bevölkerung ist erzürnt. Die Jugend leistet Widerstand. Vor kurzer Zeit wurden sogar NGO-Mitarbeiter umgebracht – hier hat Kabila einen kritischen Punkt überschritten. Ich beschloss also, die Pläne, im Kongo zu spielen, zurückzuziehen, weil ich mein Team nicht in Gefahr bringen wollte.

Wie wurde Ihre Arbeit im Rahmen feministischer Kontexte in Wien aufgenommen?

Nur wenige Feministinnen haben sich für das interessiert, was ich hier tue und was mich bewegt. Schwarze Frauen werden in vielen Milieus nicht gebührend wahrgenommen, ihre Arbeit wird nicht genug wertgeschätzt. Mir geht es vor allem darum, das Bewusstsein der Menschen zu dekolonisieren.

Dieter Alexander Behr ist Übersetzer, Journalist und Lektor an der Universität Klagenfurt und an der Universität Wien.

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