„Das Gegenteil der WTO ist gerechter Handel”

Von Redaktion · · 2009/06

Walden Bello, der philippinische Soziologie-Professor und Träger des Alternativen Nobelpreises, kam auf Einladung von Südwind nach Wien. Mit Südwind-Redakteurin Michaela Krimmer sprach er über Globalisierung, De-Globalisierung und das Ende des Kapitalismus.

Südwind: Sie wurden bekannt mit dem Konzept der De-Globalisierung. Was verstehen Sie darunter?
Walden Bello:
Die Globalisierung beschleunigte die Zusammenführung von Märkten und Handel. Sie wurde uns als wirkungsvolles Mittel zur Verbesserung der Welt verkauft, hat aber zu mehr Armut und Ungleichheit geführt. Mein Konzept der De-Globalisierung will der Fragmentierung der globalisierten Märkte entgegenwirken. Die Wirtschaft muss wieder auf nationale und lokale Bedürfnisse hören und wieder vermehrt für den nationalen Markt produzieren.

Handel ist im Grunde etwas Positives, jedoch muss er gewissen Bedingungen unterworfen werden. Es geht nicht darum, was gut für den Besitzer des Unternehmens ist, sondern was gut für die ArbeiterInnen ist, wie beispielweise die Auszahlung eines Lohns, von dem man auch tatsächlich leben kann. Ich bin nicht gegen Handel, wie das manchmal GlobalisierungskritikerInnen angehängt wird, sondern ich bin für einen gerechten Handel.

Kürzlich sagten Sie voraus, dass der Kapitalismus in zwei bis drei Jahrhunderten Vergangenheit sein wird. Haben Sie das ernst gemeint?
Ich habe das sicher mit einem kleinen Schmunzeln gesagt. Doch unser System muss gerechter werden. Wir müssen so schnell wie möglich mit dem Aufbau eines post-kapitalistischen Systems anfangen. Es ist falsch, nach dem Zeitpunkt der Überwindung des Kapitalismus zu fragen. Die richtige Frage ist, was wir für den Übergang vom Kapitalismus zum Post-Kapitalismus tun müssen. Die Zeit drängt, denn das heutige System ist nicht vereinbar mit der Bekämpfung des drohenden Klimawandels. Nur eine fundamentale Umstrukturierung der Produktion kann die globale Erwärmung stoppen.

Welche Maßnahmen müssen die Industrienationen, welche die Schwellen- und Entwicklungsländer setzen, um den Klimawandel einzudämmen?
Der Klimawandel ist eine Folge der Hochindustrialisierung des Nordens, die auf einem System des übermäßigen Konsums aufbaut. Ich sehe keine Chance auf Veränderung, wenn der Norden nicht seinen Massenkonsum als Hauptproblem anerkennt. Technische Lösungen wie der Handel von Kohlendioxidemissionen werden nichts bewirken, wenn das Kernstück der Strategie gegen den Klimawandel nicht eine Verringerung des Konsums in den Industrieländern ist.

Die Länder des Südens tragen wenig zu den weltweiten Kohlendioxid-Emissionen bei. Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien müssen ihre Produktionsweisen auch ändern, jedoch müssen eindeutig die USA und die EU die Vorreiterrolle übernehmen. Die USA verzeichnen den höchsten Ausstoß von Kohlendioxid. Wenn Präsident Obama auf der Klimakonferenz in Kopenhagen Ende des Jahres nicht strengen Regeln zustimmt, steuern wir auf große Probleme zu.

Wie könnten Institutionen wie die Welthandelsorganisation (WTO) oder die Weltbank reformiert werden, um Entwicklungsländern mehr zugutezukommen?
Die WTO und die Weltbank haben keine brauchbare Funktion, außer Mechanismen für die Herrschaft des globalen Kapitalismus bereitzustellen. Ich sehe keine Rolle weder für die WTO, die Weltbank noch den Internationalen Währungsfonds (IWF) in einem post-kapitalistischen System. Sie sind nur der Deckmantel für eine unternehmensgesteuerte Globalisierung. Mit trügerischen Argumenten will man uns weismachen, dass die WTO unabdingbar für die Weltordnung ist. Doch vor der Gründung der WTO im Jahre 1995 existierte auch ein aktiver und dynamischer Handel. Offiziell reguliert die WTO den Handel, doch tatsächlich fördert sie nur die Interessen von Unternehmer-Eliten, denn ihr treibendes Motiv ist der Freihandel. Das Gegenteil der WTO ist nicht Anarchie, sondern gerechter Handel.

Sie fordern, dass jedes Land die Möglichkeit haben muss, für seine eigenen Werte und seinen eigenen Rhythmus auch eine eigene Politik zu entwickeln. Stellen Sie auch das Modell der Demokratie infrage?
Demokratische Systeme muss man einer kritischen Kontrolle unterziehen. In der Demokratie geht es nicht darum, am Wahltag ein Kreuz zu machen und sich dann auszuruhen. Sie sollte tatsächlich die Möglichkeit bieten, die eigenen Lebensumstände zu beeinflussen. ArbeiterInnen sollten das Recht haben, in die Führung ihres Unternehmens involviert zu sein. BürgerInnen sollten entscheiden können, wie viel Prozent des staatlichen Budgets in das Gesundheitssystem oder die Landwirtschaft fließen. Demokratie sollte nicht nur das oberste Prinzip der Politik sein, sondern auch der Wirtschaft. Ökonomische Demokratie ist einer der Kernpunkte in unserem Kampf.

Gibt es eine starke Allianz der Zivilgesellschaft in Südostasien?
In Ländern Asiens wie Thailand, den Philippinen oder Malaysia wird die Stimme der Zivilgesellschaft immer lauter. Doch gibt es immer wieder Hindernisse, auch von staatlicher Seite. In Singapur kontrolliert die Regierung sehr stark, was zivilgesellschaftliche Organisationen tun dürfen. Auf den Philippinen ist die Situation auch nicht rosig. Unsere Regierung konzentriert sich vor allem darauf, wie die Präsidentenfamilie an der Macht bleiben kann. Anstatt, wie andere Länder, sich um die ökonomische Krise zu kümmern, ist ihr Hauptanliegen, die Verfassung zu ihren Gunsten zu ändern. Das politische System wird durch Geld und nicht durch Wählerstimmen geformt. Ein Zeichen der Hoffnung sind die von zivilgesellschaftlichen Organisationen gegründeten politischen Parteien. Ich selbst bin seit wenigen Wochen Parlamentsabgeordneter von Akbayan, einer solchen Partei.

Es ist wichtig, in ganz Asien zusammenzuarbeiten, um einen Kontrollmechanismus für ausländische Investitionen zu etablieren. Es darf nicht passieren, dass Produktionsstandorte über Ländergrenzen hinweg gegeneinander ausgespielt werden, um die Ausgaben der Investoren zu drücken. Ausländische Investitionen sind generell neutral zu bewerten. Sie können positiv sein, wenn man sie reguliert. Sie können negativ sein, so wie es gerade momentan passiert: Anstatt dass Regierungen die Investitionen regulieren, regulieren Investitionen die Regierungen.

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