Das Offshore-System

Von Redaktion · · 2017/02

Multis, Superreichen und Kriminellen steht ein weltweites Netz von Schattenfinanzzentren zur Verfügung.  Einige Blitzlichter auf Gewinner und Verlierer.

USA

Einst noch besorgt wegen der Kapitalflucht ins Ausland, haben sich die USA mittlerweile als eine der wichtigsten Steueroasen etabliert. Der große Finanzsektor des Landes ist in Verbindung mit dem praktisch unbehinderten Kapitalverkehr ein Magnet für schmutziges Geld. Aufgrund der sehr laxen Regulierung in Bundesstaaten wie Delaware, Wyoming und Nevada ist es kein Problem, Briefkastenfirmen zu gründen und deren wirtschaftliche Eigentümer zu verbergen.

Irland

Irland, berüchtigt für das so genannte „Double Irish“-System, eine aggressive Gewinnverlagerungsstrategie, mit der die effektiven Körperschaftssteuersätze in den einstelligen Bereich gedrückt werden können, ist ein beliebtes Domizil für US-Technologiekonzerne wie Apple, Facebook und Google. Der jüngste Konflikt mit der EU-Kommission wegen der geringen Steuerzahlungen von Apple und erste Gegenmaßnahmen der Regierung in Bezug auf das „Double Irish“-System lassen hoffen, dass dem lukrativen Steuervermeidungsgeschäft vielleicht doch ein Riegel vorgeschoben wird.

British Virgin Islands

Dass es auf diesem kleinen karibischen Inselterritorium 16 eingetragene Unternehmen pro Kopf gibt, spricht Bände: Kaum anderswo ist es so einfach, eine anonyme Briefkastenfirma zu gründen. Mit einem sehr laxen Gründungsrecht machen es die Virgin Islands wirtschaftlichen Eigentümern mehr als einfach, sich hinter Strohmännern zu verstecken.

Guatemala

2013 flossen mehr als 2,5 Milliarden US-Dollar auf illegalen Wegen aus Guatemala ins Ausland, etwa eine Milliarde mehr als die gesamten öffentlichen Bildungsausgaben des Landes.

Panama

Panama, Sitz der mittlerweile berüchtigten Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, weigert sich trotz internationalen Drucks weiterhin, sein Bankgeheimnis zu lockern oder das laxe Gesellschaftsrecht zu reformieren. Im Handelsregister des Landes sind derzeit rund 350.000 Unternehmen mit anonymen Eigentümern eingetragen; Kapitalimporte und -exporte durch ausländische Unternehmen sind steuerfrei und unterliegen keinerlei Beschränkungen.

Nach dem Skandal um die „Panama Papers“ sollte ein Regierungsausschuss für Aufklärung sorgen, doch hat sich mittlerweile Ökonomie-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz aus dem Ausschuss zurückgezogen – aus Sorge, der Ausschussbericht könnte nicht veröffentlicht werden.

Cayman Islands

Die Bilanzsumme des Bankensektors der Cayman Islands beträgt derzeit rund 1.400 Mrd. US-Dollar, womit die karibischen Inseln der sechstgrößte Bankplatz der Welt sind. Mehr als 11.000 Investmentfonds sowie beinahe die Hälfte aller Hedgefonds der Welt haben hier ihren Sitz, und der Umfang der US-Auslandsinvestitionen könnte höher sein als in ganz China. Vertraulichkeit und das Bankgeheimnis sind streng geschützt; sogar eine bloße Erkundigung nach vertraulichen Informationen kann zu einer Gefängnisstrafe führen.

London

Londons „heißer“ Immobilienmarkt verdankt sich auch den Steuervermeidungsstrategien reicher Privatpersonen, die ihre „Ersparnisse“ in Appartments und Häuser in der britischen Hauptstadt stecken. Mit niedrigen Grund- und Immobiliensteuern und scheinbar unaufhaltsam steigenden Preisen ist London ein idealer Ort, um Geld verdächtigen Ursprungs nicht nur zu parken, sondern auch zu vermehren. Im Schnitt kostet eine Eigentumswohnung derzeit das 14-fache des durchschnittlichen Jahreseinkommens.

In der City of London, dem historischen und wirtschaftlichen Zentrum der Stadt, laufen die Fäden eines weit gespannten Netzwerks zusammen, das die britischen Kronbesitzungen Jersey, Guernsey und Isle of Man sowie die britischen Überseegebiete umfasst. Ihre offizielle Aufgabe besteht darin, die Interessen der Finanzoligarchie weltweit zu fördern. Gestützt auf ihre gesetzlichen Vorrechte, darunter die Steuerhoheit, betätigt sie sich unermüdlich als Fahnenträgerin der „finanziellen Freiheit“, die dafür sorgt, dass die Offshore-Welt blüht und gedeiht.

Luxemburg

Nach der Schweiz ist Luxemburg die größte Steueroase in Europa. Der Finanzsektor ist kaum reguliert, und die Körperschaftssteuern sind niedrig; kein Wunder, dass das Herzogtum bei internationalen Konzernen wie PepsiCo und Walmart beliebt ist. Mit niedrigen Steuern auf Kapitalerträge und Steuerfreiheit für Dividenden ist Luxemburg auch der Hauptstandort von Investmentfonds in Europa, die derzeit zusammen rund 3.600 Mrd. Euro verwalten.

Russland

Rund 200 Mrd. US-Dollar, mehr als die Hälfte des russischen Finanzvermögens, befinden sich im Ausland, was den Staat jährlich eine Mrd. Dollar Einnahmen kostet. Besonders die politische Elite des Landes scheint den Verlockungen der Steuerhinterziehung zu unterliegen: Freunde und Verwandte führender PolitikerInnen, auch von Präsident Wladimir Putin, gehören zur Klientel der Schattenfinanzplätze.

China

China ist einer der größten Märkte für grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen. Seit 2001 haben mindestens 1.000 Mrd. Dollar das Land auf illegale Weise verlassen, da die Elite Chinas, darunter auch Verwandte des derzeitigen Staatspräsidenten Xi Jinping, ihr Vermögen vor den Steuerbehörden in Sicherheit bringen will.

Schweiz

Die Schweiz steht zwar unter Reformdruck, ist aber nach wie vor eine Bastion der Geheimhaltung und Intransparenz und eine beliebte Destination insbesondere für Korruptionsgelder. ExpertInnen schätzen, dass verschwiegene Schweizer Banken zusammen ein Vermögen von 2.300 Mrd. US-Dollar verwalten – rund ein Drittel des weltweiten Finanzvermögens in Steueroasen und Schattenfinanzplätzen.

Hongkong

Hongkong ist eine aufstrebende Destination für Vermögen aus ganz Asien, die vor den Steuerbehörden versteckt werden. Dafür sorgt ein hohes Maß an Geheimhaltung sowie ein kaum regulierter Finanzsektor. Bekannt ist die ehemalige britische Kolonie vor allem für das so genannte „Round Tripping“ (siehe Seite 29): Chinesische Vermögen verwandeln sich hier in „Auslandskapital“, das dann wieder in China investiert wird.

Sambia

Sambia ist reich an Bodenschätzen. Doch der südafrikanische Staat ist offenbar nicht in der Lage, die auf konzerninternen Verrechnungspreisen beruhenden Gewinnverlagerungsstrategien der ausländischen Bergwerksunternehmen zu bekämpfen. Die Manipulationen der Unternehmen kosten dem Land jährlich zwei bis drei Milliarden US-Dollar oder 10 bis 15 Prozent der Wirtschaftsleistung. Gleichzeitig leben 74 Prozent der Bevölkerung von weniger als 1,25 Dollar pro Tag.

Mit den entgangenen Einnahmen könnten die öffentlichen Ausgaben für Bildung und Gesundheit beinahe verdoppelt werden. Stattdessen füllen sie die Taschen der AktionärInnen von Glencore (Schweiz), Vedanta (Großbritannien) und anderen Konzernen.

Uganda

Die noch junge Ölindustrie Ugandas wurde 2010 von einem Steuerskandal erschüttert, als das britische Unternehmen Heritage Oil and Gas versuchte, ihren Sitz von den Bermudas nach Mauritius zu verlegen. Zweck der Übung war, sich 404 Mio. US-Dollar an Steuern im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Beteiligung an einem ugandischen Ölfeld zu ersparen. Ein Teil dieses Betrags, der etwa ein Fünftel der jährlichen Steuereinnahmen des Landes repräsentiert, wurde nach einem langwierigen Gerichtsverfahren dann doch berappt.

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