Der Dürfer

Von Redaktion · · 2002/02

Erich Hackls Monats-Kolumne

Seit langem fordert der syrische Geschichtenerzähler Rafik Schami das Unterrichtsfach Weltkulturen. Es könnte helfen, das Unwissen über andere Gesellschaften – damit auch Rassenhass und Vorurteil – zu verringern. Aber wir leben ja, angeblich, ohnehin in einer Informationsgesellschaft und sind bloß unfähig, Wissen gezielt einzusetzen. Hingegen mangelt es uns an Geschmeidigkeit und Durchsetzungsvermögen. Um dem abzuhelfen, wird hierzulande die verbindliche Übung Berufsorientierung angeboten.
Das verkündet, voll Stolz, Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer. Indirekt gesteht sie damit, dass die Schule mit ihrem Latein am Ende ist: Arbeit und Ausbildung sind voneinander abgekoppelt. Bedenkenswert ist der Ort, an dem Gehrer von Karriereplanung schwärmt: im Prospekt eines Unternehmens, das sich „die Berater“ nennt und „A Job 4 You“ verspricht, wenn man nur eifrig seine „Seminare für junge Menschen“ besucht. Raiffeisen-Clubmitgliedern kommt das „Coaching“ billiger, und es ist zu erwarten, dass Gehrer über kurz oder lang mit Werbeetiketten des Geldinstituts auf Kappe und Montur durch die Fernsehstudios schwirrt.

Im Wiener Gymnasium Stubenbastei hatte der Elternverein kürzlich nichts besseres zu tun, als zwei solchen Beraterinnen Werbezeit einzuräumen. Es ging zu wie bei einer Tupperware-Party, nur weniger gemütlich. Da war die Rede von Feedbackschleifen und davon, dass unsere Kinder zurechtdesignt würden. Gut so! Das Design meiner Tochter kam mir ohnehin rettungslos veraltet vor. Ihre Durchsetzungstechnik: auf dem Stand des letzten Jahrhunderts. Die Körpersprache: undeutlich. Das Leistungsprofil: unter jeder Kritik. Anpassen, einklinken, gezielt argumentieren! Die Reaktionen der Eltern schwankten zwischen aggressiver Zustimmung, stummer Resignation und leiser Abscheu. Dabei hat eine der beiden Werbekeilerinnen ihre Arbeit genau beschrieben: „die Berater“ bringen den Jugendlichen bei, „sich besser zu verkaufen“. Kein Wunder, dass diese Art „Berufsorientierung“ ministeriell gefördert wird, während Schamis Plädoyer ungehört verhallt: im Wettarschkriechen um einen Job ist die Kenntnis anderer Kulturen bloß hinderlich.

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