Der ethische Kern der Permakultur

Von Redaktion · · 2007/09

Das Gestaltungssystem der Permakultur kann die Gesellschaft verändern, argumentiert New–Internationalist-Autorin Maddy Harland.

Permakultur-Gestaltung beruht auf der Beobachtung der Eigenheiten natürlicher Systeme, die für ihre Dauerhaftigkeit verantwortlich sind, auf der Festlegung einfacher, aber effektiver Grundsätze sowie ihrer Anwendung im Sinne einer Nachahmung der Natur, wobei es nicht darauf ankommt, was wir gestalten wollen. Es kann sich um Gärten, Landwirtschaften, Gebäude, Wälder, Gemeinschaften, Unternehmen, ja sogar Städte oder Länder handeln. Bei der Permakultur geht es im Wesentlichen um die Schaffung vorteilhafter Beziehungen zwischen einzelnen Elementen. Ihre Anwendbarkeit ist nur von unserer Vorstellungskraft beschränkt. Es gibt jedoch ein Fundament – ihre drei ethischen Grundsätze –, das ihr Motiv, ihren Kern darstellt. Auf den ersten Blick scheinen die ethischen Grundsätze nichts Besonderes zu sein. Ihre gemeinsame Präsenz in einer Gestaltung birgt jedoch die Kapazität für eine radikale Veränderung der Gesellschaft.

Verantwortung für die Natur
(Earth Care)

Stellen Sie sich vor, wie die Begründer der Permakultur, Bill Mollison und David Holmgren, in den 1970er Jahren die australische Kulturlandschaft betrachten und erkennen, wie katastrophal sich eine dem gemäßigten Klima Europas angepasste Landwirtschaft auf die empfindlichen Böden eines uralten Kontinents auswirkt. Ihre anfängliche Reaktion bestand in der Konzeption einer dauerhaften Landwirtschaft mit früchtetragenden Bäumen und anderen mehrjährigen Pflanzen, die alle vertikalen Schichten der Vegetation besetzen, von der Kronenschicht bis zur Krautschicht und darunter. Der Boden wird nicht umgegraben, damit sich seine eigene, robuste Mikroökologie entwickeln kann.
Diese Ethik war dazu bestimmt, sich auszuweiten und alle Aspekte der Permakultur zu durchdringen. Wie können wir einerseits eine biologische Landwirtschaft oder Gartenwirtschaft praktizieren oder unsere Landschaften so gestalten, dass sie sich über Generationen erhalten, und andererseits Produkte aus Industrien konsumieren, die die Umwelt schädigen? Es hat keinen Sinn, einen biologischen Garten zu gestalten und dann einen Benzinfresser zu kaufen, oder ein Haus aus Beton und Stahl zu bauen, wenn wir vor Ort vorhandene Materialien verwenden können, die mit weniger Energie erzeugt wurden.
Die ursprüngliche Vision einer Sorge für alle lebenden und nicht lebenden Dinge hat sich zu einem tiefen und umfassenden Verständnis von Earth Care ausgeweitet, das unsere gesamten Entscheidungen einschließt, von unseren Kleidern über die Produkte, die wir kaufen, bis zu den Materialien, die wir für unsere Eigenbauprojekte verwenden. Auch wenn wir nicht alle unser eigenes Haus bauen oder unsere gesamte Nahrung anbauen können, können wir doch entscheiden, was wir konsumieren und erhalten und wie wir das tun.

Verantwortung für den Menschen
(People Care)

Permakultur beinhaltet auch das Konzept einer permanenten Kultur. Wie können wir eine solche entwickeln, wenn es Menschen gibt, die verzichtbar sind, um die sich niemand kümmert, die ausgeschlossen sind? Es kann darin keine Eliten geben, keine Plutokratien oder Oligarchien – auf alle Mitglieder der Gemeinschaft muss Rücksicht genommen werden. „People Care“ verlangt, dass unsere grundlegenden Bedürfnisse nach Nahrung, Unterkunft, Bildung, Beschäftigung und befriedigenden sozialen Beziehungen gedeckt werden. Auch kann „People Care“, richtig verstanden, sich nicht auf eine Nation beschränken. Es handelt sich um eine weltweite Ethik des fairen Handels und der intelligenten gegenseitigen Unterstützung aller Menschen, im Inland wie im Ausland.
Es geht darum, die Macht der Gemeinschaft zu verstehen. Wir können unser Leben als Einzelne verändern und kleine Veränderungen bewirken. Aber wie viel mehr können wir als Gemeinschaft tun! Öko-Dörfer und Wohngemeinschaften, die ihren ökologischen Fußabdruck wesentlich verkleinern, indem sie Ressourcen gemeinsam nutzen, sind gute Beispiele.
Ich mag vielleicht nicht über alle nötigen Fähigkeiten verfügen, um meine Nahrung selbst zu erzeugen oder mein Haus ökologisch zu renovieren, aber durch den Aufbau effektiver Netzwerke kann ich meine Fähigkeit erhöhen, nachhaltiger zu leben und eigenständiger zu werden. Das ist eine dezentrale, demokratische Vision einer gesellschaftlichen Transformation. Wir haben keine Zeit, auf die Regierung zu warten.

Verteilungsgerechtigkeit (Fair Shares)
Der letzte ethische Grundsatz vereint die beiden ersteren. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass wir nur einen Planeten haben. Wir müssen ihn mit allen lebenden Dingen und zukünftigen Generationen teilen. Es hat keinen Sinn, eine nachhaltige Familie, Gemeinschaft oder Nation zu gestalten, während andere ohne sauberes Wasser, saubere Luft, Nahrung, Unterkunft, sinnvolle Beschäftigung oder soziale Beziehungen leben müssen. Da der industrialisierte Norden die Ressourcen von zumindest drei Planeten verbraucht und im Süden Armut herrscht, bedeutet „Fair Shares“ die Anerkennung dieses erschreckenden Ungleichgewichts – einen Aufruf zur Einschränkung des Konsums, vor allem von natürlichen Ressourcen, im Norden. Permakultur steht in grundlegendem Gegensatz zum industriellen Wachstumsmodell des Nordens, ein Kernbestandteil ihrer Ethik, und strebt danach, Systeme mit mehr Fairness und Gerechtigkeit zu gestalten, unter Berücksichtigung der beschränkten Ressourcen des Planeten und der Bedürfnisse aller Lebewesen.

Natürlich sind diese drei ethischen Grundsätze nicht nur die der Permakultur. Sie leiten sich aus zahlreichen Weltanschauungen und Glaubensrichtungen ab. Die Ethik der Permakultur ist eine gemeinsame – eine, die vom Großteil der Welt geteilt wird. Die Permakultur macht sie jedoch sichtbar, im Rahmen eines Gestaltungsprozesses, der sie aus dem Bereich der Philosophie herausführt und im Leben jedes Einzelnen und jeder Einzelnen verankert, also Denken in Tun verwandelt.
Wir können nicht unser eigenes privates Paradies schaffen und dem Rest der Menschheit oder der Biosphäre den Rücken zukehren. Wir befassen uns nicht damit, ökologische Archen auf einem untergehenden Planeten zu errichten. Wir sind Teil eines zusammenhängenden Ökosystems. Bei der Permakultur geht es nicht bloß darum, wie man klima- und umweltfreundlich oder sogar in Überfluss leben kann. Es handelt sich um ein auf ethischen Grundsätzen aufbauendes Gestaltungssystem, das für uns alle geeignet ist.

Copyright New Internationalist

Maddy Harland ist Redakteurin von Permaculture Magazine – Solutions for Sustainable Living,
www.permaculture.co.uk

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