„Der Globale Süden steht stärker unter Rechtfertigungszwang“

Von Milena Österreicher · · 2023/Mai-Jun

Die Forscherin Miriam Mona Mukalazi im Interview darüber, warum feministische Außen- und Sicherheitspolitik eine postkoloniale Perspektive braucht.

In der internationalen Außenpolitik spiegeln sich Machtverhältnisse wider – auch in der feministischen Außenpolitik?

Die Perspektive des Globalen Nordens scheint immer noch der Ausgangspunkt zu sein, wie wir die Welt verstehen sollen – auch bei feministischer Außenpolitik. Aufgrund dieses Überlegenheitsanspruchs müssen wir darüber sprechen, wie feministische Argumente für außenpolitische Interessen eingesetzt werden. Anlässlich des 8. März formulierten afrikanische Feministinnen wie die Nigerianerin Helen Kezie-Nwoha treffend: Wenn der Globale Norden über feministische Außenpolitik spricht, spricht er über uns – was mit uns und unseren Ländern passiert.

Zuletzt hat das Parlament in Uganda eine Verschärfung der Gesetze gegen queere Menschen beschlossen. Ihnen droht mehrjährige Haft, im Extremfall sogar die Todesstrafe. 2009 war es ähnlich, Uganda drohte damals schon mit einer Gesetzesverschärfung. Großbritannien hat daraufhin Gelder für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit eingefroren. Ein problematischer Zugang?

Öffentliche Kritik ist notwendig. Nichtstun ist keine Option. Die ugandische Regierung ist 2014 tatsächlich aufgrund des politischen Drucks etwas zurückgerudert. Leider sehen wir heute, dass dieser nicht ausgereicht hat. Die angedrohten Kürzungen der entwicklungspolitischen Gelder würde Präsident Museveni verkraften. Jedoch nicht diejenigen, deren Überleben davon abhängt. Problematisch ist auch, dass die globale und historische Verantwortung antifeministischer Akteure nicht zur Sprache kommt. So führte die britische Kolonialmacht damals queerfeindliche Gesetze in Uganda ein. Aktuell tragen Evangelikale aus den USA maßgeblich zur Unterstützung des neuen Gesetzes bei.

© Phil Dera

Miriam Mona Mukalazi promoviert zu feministischer Sicherheitspolitik an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und lehrt an der Universität zu Köln. Sie ist Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, im Aufsichtsrat des Forums Ziviler Friedensdienst sowie der internationalen NGO Women Engage for a Common Future.

Wie sollte reagiert werden?

Großbritannien und andere Länder sollten sich beispielsweise für Visaerleichterungen für die LGBTIQA+ einsetzen und Menschenrechtlerinnen und -rechtler vor Ort mit juristischen Mitteln stärker unterstützen. Allgemein wäre ein Fokus auf Migration bei feministischer Außenpolitik wünschenswert.

Mit Libyen und Mexiko haben sich Länder aus dem Globalen Süden zu einer feministischen Außenpolitik bekannt. Werden weitere folgen?

Einige Staaten des Globalen Südens tun sich schwer, diesen Begriff zu übernehmen. Feminismus wird fälschlicherweise mit etwas Negativem aus dem Globalen Norden verbunden. Ein Grund ist, dass feministische Außenpolitik oft mit weißem Feminismus gleichgesetzt wird.

Inwiefern?

Länder des Globalen Südens stehen stärker unter Rechtfertigungszwang. Wenn Südafrika eine feministische Außenpolitik ausrufen würde, müsste es erstmal erklären, welche Art von Feminismus es umsetzen möchte. Es müsste beweisen, welche innenpolitischen Maßnahmen damit verknüpft sind und sich rechtfertigen, ob diese Art von Außenpolitik überhaupt mit der politischen Vergangenheit des Landes umsetzbar sei. Als Deutschland sich zu einer feministischen Außenpolitik bekannt hat, ging der Großteil davon aus, dass dies schon der „richtige“ Feminismus ist. Wir müssen weiterhin kritische Fragen stellen. Aber: Wir müssen uns auch bewusst werden, warum sich bei Staaten des Globalen Südens andere Fragen stellen als bei denen des Globalen Nordens.

Ein Beispiel, bitte.

NGOs setzen beispielweise im Globalen Süden Projekte zu Verhütung um. Das steht grundsätzlich im Einklang mit feministischen Prinzipien. Bedauerlicherweise werden Projekte zu sexueller Gesundheit und reproduktiven Rechten auch mit dem Angstnarrativ verknüpft, dass die Übervölkerung des afrikanischen Kontinents eine Bedrohung darstelle. Das sind feine, aber wichtige Nuancen, um zu hinterfragen, warum etwas im Namen des Feminismus getan wird.

Interview: Milena Österreicher

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