Der Knall verhallt

Von Richard Solder · · 2017/04

Wieso sich die Gesellschaft wieder mehr mit dem kriselnden Neoliberalismus beschäftigen sollte. Und was das Südwind-Magazin mit Nebelkerzen zu tun hat.

Da war doch was. Zehn Jahre ist es mittlerweile her, da krachte es gewaltig. 2007 brach die Finanzkrise aus, eine Krise historischer Dimension. Damals wurde klar, dass die Weltwirtschaft so nicht funktionieren kann. Der Glauben an die selbstheilenden Kräfte des freien Marktes wurde selbst bei überzeugten Neoliberalen erschüttert.

Der Staat, die SteuerzahlerInnen, mussten den Banken zur Hilfe eilen.

Und heute? In der Europäischen Union setzen Regierungen stur auf Austerität, jene rigide Sparpolitik, die den Staat soweit „verschlankt“, bis er in vielen Bereichen kaum noch existiert. Wiederum auf Kosten der Menschen: bei Kultur-, Sozial- und Bildungsprogrammen wird gekürzt.

Wohlstand ist extrem ungleich verteilt. Die Boni für Wall-Street-BankerInnen steigen derweilen wieder. Der durchschnittliche Bonus ist dabei mehr als doppelt so hoch wie ein mittleres Jahreseinkommen eines Haushaltes in den USA. Und seit Jahren warnen ExpertInnen davor, dass wir aus der aktuellen Krise zu wenig lernen und der nächste große Knall nur noch eine Frage der Zeit ist.

Kaum Thema. Die Kritik am neoliberalen Wirtschaftsmodell ist allerdings in den Hintergrund getreten. Diskussionen über Migration und Integration überschatten derzeit alles. Die lebendige und breite Anti-CETA/-TTIP-Bewegung zeigt allerdings, dass ökonomische und soziale Fragen sowie der Konsumentenschutz die Menschen interessieren: 562.552 Menschen haben das Volksbegehren gegen die Freihandelsabkommen unterschrieben.

„Viele Menschen haben die sozialen und ökonomischen Verhältnisse gründlich satt“, betont der britische Historiker Perry Anderson in der deutschen März-Ausgabe des Le Monde Diplomatique. In manchen Fällen würden die Menschen nicht zuletzt deswegen gegen das Establishment wählen. Etwa beim Brexit-Votum hätte das trotz des dominanten Themas Einwanderung eine entscheidende Rolle gespielt.

Aber nicht alle, die mit den aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen unzufrieden sind, würden Rechtspopulisten wählen, so Anderson: „Der Grund dafür ist die große Angst, dass eine Erschütterung dieser Verhältnisse, die die Märkte durcheinanderbringen würde, das Elend nur noch schlimmer macht.“ Das aktuelle Wirtschaftsmodell würde demnach nur als das geringere Übel gesehen.

Es braucht dringend Antworten auf Verteilungs- und Steuerfragen. Die dürfen nicht nationalistisch verengt sein. Allerdings geschieht genau das, auch in Österreich. Die Europäische Idee ist offenbar dann besonders interessant, wenn sie den nationalen Interessen dient.

„Joker“ EU. Und jetzt kommt die Sache mit dem Südwind-Magazin: Für uns war immer klar, dass das EU-Beihilferecht als Grund für die Förderabsage durch die dem Außenministerium unterstellten Austrian Development Agency nur vorgeschoben war. Aussagen der Europäischen Kommission bestätigen diese Einschätzung: „Es wäre nicht das erste Mal, dass heimische Entscheidungsträger versuchen, Nebelkerzen zu werfen, um sich bei kontroversen nationalen Entscheidungen hinter Brüssel zu verstecken“, betonte Jörg Wojahn, Vertreter der Europäischen Kommission in Österreich, in einer Presseaussendung zum Südwind-Magazin.

Auch wenn die EU-Kommission in einer weiteren Aussendung plötzlich zurückruderte, eines scheint sich bestätigt zu haben: Unsere Berichterstattung passt Außenminister Sebastian Kurz schlicht nicht in sein (PR-)Konzept.

Als Folge sind wir nach wie vor in einer existenzbedrohenden Situation. Wie das Rettometer anbei anzeigt, benötigen wir weiterhin rund 800 Abos, um unsere Arbeit langfristig abzusichern. Wir kämpfen weiter – kritische Stimmen sind wichtiger denn je!

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