„Der Privatsektor ist effizienter als der öffentliche Sektor.“

Von Redaktion · · 2016/02

Ein zentraler neoliberaler Mythos besagt, dass der Staat in der Wirtschaft eine möglichst kleine Rolle zu spielen hätte – oder, anders gesagt, dass er dem Akkumulationsdrang der Reichen nicht im Wege stehen sollte. Es handelt sich um eine ideologische Position, in der sich die Interessen der herrschenden Eliten widerspiegeln; zu ihren Auswirkungen gehören das Verscherbeln öffentlichen Eigentums und eine fortschreitende Privatisierung ehemals öffentlicher Infrastrukturen und Leistungen.

Zunehmend wird ein staatlicher Ausverkauf auch als Option betrachtet, „die Staatsschulden zu verringern und Budgetlöcher zu stopfen“, ohne Rücksicht auf Bedenken, die einem der Hausverstand nahelegt: Was einmal verkauft ist, bekommt man in der Regel nicht wieder.

Aber was bringt eine Privatisierung in ihren unterschiedlichen Formen – Verkauf von Unternehmen, öffentlich-private Partnerschaften (PPP), Auslagerung? Hat sie zur Folge, dass Dienstleistungen technisch effizienter oder effektiver erbracht werden? Man kann davon ausgehen, dass privatisierte Unternehmen nach Kosteneffizienz streben, aber das bedeutet in der Regel ein schlechteres Angebot, niedrigere Gehälter, unsichere Arbeitsverhältnisse und Jobverluste. Was sich übrigens negativ auf die Gesamtnachfrage auswirkt, sofern man weitblickend genug ist, um auch das zu berücksichtigen.

Viel Lärm um nichts. Privatisierungen sind mittlerweile gründlich unter die Lupe genommen worden – es gibt zahlreiche Analysen, Studien und sogar Metastudien über ihre Auswirkungen. Ein Ergebnis ist aber allen gemeinsam: Es gibt keine Belege für eine höhere Effizienz.1 Also bleibt bestenfalls zu hoffen, dass sich durch die private Erbringung vormals öffentlicher Dienstleistungen oder eine private Beteiligung wenigstens nichts verschlechtert – viel Lärm um nichts, könnte man sagen. Die bisher größte Studie zur Effizienz von Privatisierungen erfasste sämtliche europäische Unternehmen, die zwischen 1980 und 2009 privatisiert wurden. Verglichen wurde ihre Leistung mit jener von Unternehmen, die in öffentlichem Eigentum verblieben, und mit ihrer früheren Performance als öffentliche Unternehmen. Das Ergebnis? Die Leistung der privatisierten Unternehmen war schlechter als die der Unternehmen, die im Staatseigentum blieben, und zwar bis zu zehn Jahre nach der Privatisierung. 1

Strompreise: + 23,1%

Die Preise privater Stromversorger in den 34 OECD-Ländern lagen 2010 im Schnitt um 23,1% über den Preisen staatlicher Stromversorger.

Wasserpreise: + 16,6%

Die Wasserpreise privater Unternehmen in Frankreich sind um 16,6% höher als die gemeindeeigener Unternehmen.

Gegen Privatisierung: 96%

96% der ItalienerInnen stimmten 2011 für die Erhaltung der öffentlichen Wasserversorgung.

Ebenso verhält es sich sogar in der hart umkämpften Telekombranche, deren KundInnen über die Jahre von sinkenden Kosten und einem vielfältigeren Angebot profitiert haben. Eine weltweite Studie ergab, dass „privatisierte Unternehmen eine signifikant schlechtere Performance aufweisen als Telekomunternehmen, die in Staatseigentum bleiben“. 1

USA schlechter als Kuba. Dass der Effizenzmythos ein Lügengebilde ist, zeigt sich insbesondere im Gesundheitssektor. In den USA, mit den weltweit höchsten und großteils privaten Gesundheitsausgaben, ist die medizinische Grundversorgung schlechter als in Kuba mit seinem ausschließlich staatlichem Gesundheitssystem, und das nur zu einem Bruchteil der Pro-Kopf-Kosten in den USA.

Öffentliche Gesundheitssysteme sind zum Teil deshalb effizienter, weil sie eine universelle Versorgung bereitstellen und von Größenvorteilen profitieren können. Sie benötigen allerdings eine angemessene Finanzierung. Das exakte Gegenteil wurde vom IWF und der Weltbank vielen Ländern des Südens empfohlen – im Rahmen der strukturellen Anpassungsprogramme in den 1980er Jahren. Damals lautete das Mantra, dass sich der Staat zurückzuziehen hätte und PatientInnen für jede Leistung sofort bezahlen sollten. Das Ergebnis: Die Ärmsten wurden praktisch von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen, während es anspruchsvollere Gesundheitsleistungen nur mehr für jene gab, die sich das leisten konnten.

Der öffentliche Sektor kann also nachweislich ebenso leistungsfähig und oft sogar besser als der Privatsektor sein. Das bedeutet allerdings nicht, dass es keinen Reformbedarf gibt.

Dinyar Godrej

Copyright New Internationalist

1)    Public Services International Research Unit (PSIRU), Public and private sector efficiency, Mai 2014, epsu.org/IMG/pdf/PSIRU_efficiency.pdf

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