Der „stille Coup“

Von Martina Schwikowski · · 2011/07

Simbabwes Langzeit-Diktator Mugabe wird immer mehr zur Marionette seines eigenen Staatsapparats, der auf Angst und Gewalt aufbaut. Im Land sollen so schnell wie möglich Wahlen abgehalten werden, doch es fehlt das Geld und eine überarbeitete Verfassung.

Die Einschüchterung der Bevölkerung auf dem Land nimmt zu. In Simbabwe hat Mugabes Partei ZANU-PF bereits Kampagnen laufen für eine Wahl, deren Termin noch nicht feststeht. Parlamentsmitglieder und Mugabe-AnhängerInnen besuchen Wahlkreise und drohen: „Wir wollen in dieser Gegend nicht ‚MDC‘ hören. Sonst geschieht mit euch, was 2008 passiert ist.“ Jeder weiß, was damit gemeint ist: Gewalt, Folter, Tod. Tief sitzt die Angst, die damals die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen begleitete. In manchen Gemeinden habe der Dorfvorsteher die Erlaubnis oder den Auftrag von der ZANU-PF erhalten, Oppositionelle zusammenzuschlagen, erinnert man sich.

Trotz des Klimas der brutalen Gewalt stimmten die SimbabwerInnen 2008 mehrheitlich für die Opposition, die Bewegung für demokratischen Wandel (MDC). Das Ergebnis reichte allerdings nicht für einen klaren Sieg und die MDC lehnte eine Stichwahl um die Präsidentschaft ab. Die politisch motivierte Gewalt war eskaliert, der Wahlsieger Morgan Tsvangirai fürchtete noch mehr Blutvergießen. Nach zähen Verhandlungen ließ sich die Partei 2009 auf den vom damaligen südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki als Vermittler des regionalen Länderbundes SADC (South African Development Community) vorgeschlagenen Kompromiss ein: Die MDC bildete mit dem Regime von Robert Mugabe eine Koalition.

Die Bilanz beider Politiker nach zwei Jahren: Das gemeinsame Regieren funktioniert nicht. Premierminister Tsvangirai spürt täglich die Grenzen seiner Macht. Mehrmals wollte er schon das Handtuch werfen, letztes Mal im März, als sein Energieminister Elton Mangoma von Mugabes Sicherheitskräften verhaftet worden war. Zuvor war Roy Bennett an der Ausübung seines Amtes als stellvertretender Landwirtschaftsminister gehindert worden: Beim geplanten Amtsantritt im Februar 2009 saß er im Gefängnis, angeklagt wegen Staatsverrats. Die Anklage wurde letztes Jahr fallen gelassen, aber Bennett lebt erneut im Exil in Südafrika. Tsvangirai erklärte vor wenigen Wochen, das Aushandeln des wackeligen Einheitspaktes mit Präsident Robert Mugabe sei die frustrierendste Erfahrung seines Lebens, aber unbedingt notwendig, um das Land vor dem Kollaps zu bewahren. Doch Tsvangirais Regierungspartner Mugabe will sich so schnell wie möglich aus dieser Regierung verabschieden. Seine Motive sind anders gelagert: „Mugabe plant immer noch, dieses Jahr Neuwahlen abzuhalten“, glaubt Levi Kabwato, Sprecher der „Crisis in Zimbabwe Coalition“ in Johannesburg. Mugabes Gesundheit sei angeschlagen. Deshalb wollten er und sein Politbüro keine Zeit verschwenden, die Macht des 87-jährigen Diktators zu festigen. Seine Reisen nach Fernost zu medizinischen Behandlungen werden häufiger, gerade kam er von seinem vierten Besuch in nur zwei Monaten aus Singapur zurück.

Im März wurde ein zerbrechlicher Mugabe in einem Golf-Wägelchen beim SADC-Regionaltreffen in Sambia herumgefahren. Damals beschwerte sich Tsvangirai auf dem Gipfel, Mugabe sei nicht in der Lage, sein Amt auszuüben und ein „stiller Coup“ hätte stattgefunden, der Generälen und Sicherheitschefs die Kontrolle überlasse. Im April stand in der Hauptstadt Harare der Verkehr still, als Mugabes Tross schnell zu einer Klinik fuhr und Mugabe dort behandelt wurde. Er hatte angeblich einen Schwächeanfall. Dann tauchte der Greis wieder in typisch provokanter Manier auf und tönte: „Mir geht es gut, meine Frau und ich sind Gesundheitsenthusiasten.“

Mugabe sei in Wirklichkeit nur noch eine Marionette der „Securocrats“ um ihn herum, meint John Makumbe, Politikwissenschaftler an der Universität von Simbabwe. „Er weiß nicht, was wirklich los ist und sie sagen ihm, was er tun soll.“ Er sei ein Opfer seines Staates. Ein Staat, in dem er Angst als Waffe gegen sein eigenes Volk einsetze. Die politische Anspannung ist überall in Simbabwe zu spüren, auf dem Land stärker als in den Städten. In Harare genießt die MDC, die einst aus der Gewerkschaftsbewegung unter Führung Tsvangirais entstand, die größte Unterstützung.

Eine wesentliche Bedingung der gemeinsamen Regierung war, dass Simbabwe eine neue, demokratischere Verfassung erhält, die dann als Grundlage für Neuwahlen gilt. Monatelang wurden Umfragen in den Gemeinden gemacht, um Meinungen über Inhalte für das Referendum zu sammeln. Dieser Vorgang ist abgeschlossen, doch jetzt gibt es Streit über die Umsetzung, meint Levi Kabwato. Trotzdem hatte Mugabe bereits Wahlen für vergangenen April angekündigt – auch ohne neue Verfassung –, dann jedoch wieder verschoben. Die Regierung plant, das Referendum im September durchzuführen. Die Volksabstimmung über die neue Verfassung werde aber nach Einschätzungen Makumbes erst nächstes Jahr oder sogar erst 2013 stattfinden. Der Reformprozess für die neue Verfassung sei einfach nicht ausreichend vorangeschritten.

Doch Mugabes Partei steht unter Druck, schnellstens eine Wahl zu organisieren, denn die Aufstände in Nordafrika und die daraus resultierenden Demokratiebewegungen sind eine Bedrohung für das Militärregime. Eine Sorge weniger hat Mugabe indes: Die Menschenrechtsverletzungen können im Augenblick nicht an das SADC-Tribunal herangetragen werden. Vor diesem Gericht können u.a. Menschenrechtsverletzungen in der Region des südlichen Afrikas verhandelt werden. Das Tribunal wurde jedoch vor kurzem auf einem Gipfeltreffen in Namibia auf ein Jahr ausgesetzt. Berühmtheit hatte es erlangt, als der Farmer Mike Campell Mugabe wegen Menschenrechtsverletzungen an seiner Familie verklagte, als sie von ihrem Land vertrieben wurde. Campell gewann. Menschenrechtsorganisationen in der Region behaupten, Simbabwe hätte auf das Tribunal Druck ausgeübt. „Mit der Sabotage des Tribunals haben SADC-Führer gezeigt, wo ihre Loyalitäten liegen – sie schützen ihren Freund Präsident Mugabe vor den Konsequenzen der illegalen Aktivitäten seines Regimes, anstatt die Rechte von 200 Millionen Menschen in der SADC-Region zu verteidigen“, sagt Nicole Fritz, Direktorin der Menschenrechtsorganisation „Zentrum für Rechtsstreitigkeiten im Südlichen Afrika“.

Auch die von Südafrika als Vermittler vorgeschlagene „Roadmap“ für demokratische Wahlen im Nachbarland lässt auf sich warten. In diesen Richtlinien sollen nach dem SADC-Protokoll verankerte Prinzipien für demokratische Wahlen für Simbabwe ausgearbeitet werden. Südafrikas Präsident Jacob Zuma und seine Regierung waren von der SADC als Vermittler in der Simbabwe-Krise beauftragt worden. Sie versuchen, die Ausführung des bestehenden Regierungsvertrages zwischen Mugabe und den VertreterInnen der MDC unter Tsvangirai und der MDC-Splitterpartei unter Arthur Mutambara umzusetzen. Mugabe hatte sich bisher geweigert, wichtige Regierungspositionen mit MDC-VertreterInnen zu besetzen. Südafrikas Regierungspartei, der Afrikanische Nationalkongress (ANC), äußerte sich besorgt: Sollte Mugabe sterben oder aus dem Amt scheiden, bevor die Verfassungsreformen vollständig sind, könnten Rivalitäten über seine Nachfolge die Wahlen verzögern.

Währenddessen leidet die Bevölkerung unter schweren Menschenrechtsverletzungen. Amnesty International (AI) erklärte, dass zwar ein gewisser Fortschritt in der Stabilisierung der Wirtschaft erreicht worden sei, aber diese Erfolge durch die andauernden Angriffe auf die Zivilgesellschaft und politische Rechte unterwandert würden. Im März gefundene Massengräber könnten ein Beweis für die Gräueltaten der Mugabe-Regierung sein. Simbabwes sogenannte „Kriegsveteranen“, die der Regierungspartei ZANU-PF nahe stehen, haben in einem stillgelegten Bergwerk im Ort Mount Darwin rund 100 Kilometer nördlich der Hauptstadt Harare mit der Bergung von etwa 1.000 Leichen begonnen. Die ZANU-PF nutzt den Fund für Propaganda gegen den Westen und behauptet, es handle sich bei den Toten um simbabwische Befreiungskämpfer, die vor 32 Jahren im Kampf gegen das weiße Regime von Ian Smith im damaligen Rhodesien umkamen. Doch der Zustand der Leichen legt den Verdacht nahe, dass es sich bei den Toten wohl eher um politische GegnerInnen aus jüngster Zeit handelt. Oppositionelle gehen davon aus, dass es sich um verscharrte Opfer der Gewalt bei den Wahlen 2008 handelt.

Die Menschen in Simbabwe bewegen sich zwischen Angst und Hoffnung. Die Ungewissheit der politischen und auch wirtschaftlichen Krise ließ viele Menschen unter gefährlichen Bedingungen ins Nachbarland Südafrika fliehen. Simbabwe hat 2009 den US-Dollar als Währung eingeführt, um die Hyperinflation zu stoppen und die Wirtschaft zu stabilisieren (siehe SWM 5/09). Eine Inflationsrate von unvorstellbaren 231 Millionen Prozent machte die Landeswährung, den simbabwischen Zim-Dollar, quasi wertlos. Aber für die meisten Menschen ist es nicht leicht, die Waren mit US-Dollar zu bezahlen. Die Arbeitslosigkeit ist groß, die Industrie liegt brach. Angestellte müssen oft lange auf ihre Löhne warten.

Zentralbankchef Gideon Gono, ein Vertrauter Mugabes, erklärte, es sei nicht die richtige Zeit für Wahlen in Simbabwe. Er bestätigte sogar die Klagen von MDC-Finanzminister Tendai Biti, dass Simbabwe kein Geld für die Organisation von Wahlen habe. Dabei profitiert Simbabwes politische Elite vom Diamantengeschäft und bereichert sich. Laut Kabwato gibt es keine Transparenz. Die MDC hofft, die desolate Wirtschaft des Landes mit Diamantenverkäufen ankurbeln zu können. Der Kimberley-Prozess (System, mit dem international der Handel mit so genannten Blut-Diamanten unterbunden werden soll; Anm. d. Red.) hat Verkäufe für Simbabwe trotz heftiger Kritik wieder zugelassen. In der Region Marange werden die Diamantenminen von Militär und Polizei, mächtigen Armee-Generälen und Top-Politikern rivalisierender Fraktionen der ZANU-PF kontrolliert – oft ohne Schürflizenzen. Und gegen die MinenarbeiterInnen wird mit Gewalt und Folter vorgegangen, wie die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtet.

Martina Schwikowski ist Korrespondentin der Berliner „tageszeitung“ für das südliche Afrika und lebt in Johannesburg.

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