Die Absicht macht den Unterschied

Von Irmgard Kirchner · · 2012/04

Nie war der Zeitpunkt besser, sich die Absicht hinter einer Handlung genau anzuschauen, als jetzt in Zeiten der Krise überkommener Systeme.

Es klingt verlockend einfach: Mit dem Einkaufswagen nicht nur die eigene Lebensqualität, sondern gleich nebenbei die Welt zu verbessern. Ein kürzlich erschienenes Buch zeigt, dass es doch komplizierter ist. Für eine Verbesserung der Welt ist es mitunter bereits zu spät, wenn die Ware im Supermarkt liegt, argumentiert Autor Clemens G. Arvay*) am Beispiel „Bio“. Unaufgeregt und beharrlich recherchiert er, wie weit (ins Negative) „Bio“ gehen darf, um noch „Bio“ zu sein. Industrielle Produktion, Tierfabriken, Monsanto-Saatgut, Abhängigkeit der Bäuerinnen und Bauern von Großkonzernen … alles ist möglich.

Arvays Recherchen gelten weniger der messbaren Produktqualität als vielmehr den Mechanismen von Produktion und Vermarktung. Und die widersprechen beim Supermarkt-Bio dem Wesen der „echten“ ökologischen Landwirtschaft nicht nur, sie schädigen sie sogar. Im Falle von „Bio“ hat eine wachstumshungrige und profitgierige Branche, die Lebensmittelkonzerne, das gute Image einer Bewegung für das eigene Gewinnstreben gekapert.

Soziale Bewegungen wollen ebenso wachsen, wenn auch anders. Sie wollen raus aus der Nische, suchen Dialog und Kooperation mit Wirtschaftsunternehmen. Um welttauglich zu wirken, reden soziale Bewegungen dann weniger über ihre idealistischen Absichten als über ihre Professionalität. Dabei ist es genau die Absicht, die den Lebensmittelkonzern vom Bioladen oder der VerbraucherInnen-Genossenschaft unterscheidet: Die Biobewegung strebt eine nachhaltige Wirtschaft, eine möglichst breite Versorgung mit guten Lebensmitteln, den Erhalt der Biodiversität und Ernährungssouveränität an. Supermärkte und Nahrungsmittelkonzerne suchen nach Strategien, um in – im wahren Wortsinn – gesättigten Märkten Wachstum und Profit zu erzielen. Die gute Absicht der Bewegung dient der Branche nur mehr als plakativ vorgeschobenes Werbeargument. Das ist keine Verwässerung der Prinzipien, sondern deren parasitäre Ausnützung. In sozialen Bewegungen stecken Enthusiasmus, Idealismus und persönliches Engagement. Sie „produzieren“ dadurch Werte und Sinn, was werbetechnisch und zur Imagepflege unbezahlbar ist. Sich mit mächtigen Partnern einzulassen, die entgegengesetzte Absichten verfolgen, ist für soziale Bewegungen ein gefährliches Unterfangen.

Rund um den kommenden Umweltgipfel Rio plus 20 reden alle von der „Green Economy“.
Auch hier muss ein fundamentaler Umbau stattfinden – anstatt bloßer grüner Kosmetik. Von einer wirklich nachhaltigen und am Gemeinwohl orientierten Wirtschaft sind wir weit entfernt. Und es gibt noch viele weitere Beispiele, die zeigen, dass hinter identer Rhetorik und scheinbar gleicher Aktion ganz unterschiedliche Absichten stehen können.

Nie war der Zeitpunkt besser, sich die Absicht hinter einem Gedanken oder einer Handlung genauer anzuschauen, als jetzt in Zeiten der Krise überkommener Systeme. Dann erleben die im Zuge der Diskussion um „Political Correctness“ in Misskredit gekommenen „guten Absichten“ hoffentlich eine Renaissance.

*) Clemens G. Arvay. Der große Bio Schmäh. Wie uns die Lebensmittelkonzerne an der Nase herumführen. Wien, Überreuter 2012, 208 Seiten, Euro 19,95.

Basic

Berichte aus aller Welt: Lesen Sie das Südwind-Magazin in Print und Online!

  • 6 Ausgaben pro Jahr als Print-Ausgabe und/oder E-Paper
  • 48 Seiten mit 12-seitigem Themenschwerpunkt pro Ausgabe
  • 12 x "Extrablatt" direkt in Ihr E-Mail-Postfach
  • voller Online-Zugang inkl. Archiv
ab € 25 /Jahr
Abo Abschließen
Förder

Mit einem Förder-Abo finanzieren Sie den ermäßigten Abo-Tarif und ermöglichen so den Zugang zum Südwind-Magazin für mehr Menschen.

Jedes Förder-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

84 /Jahr
Abo Abschließen
Soli

Mit einem Solidaritäts-Abo unterstützen Sie unabhängigen Qualitätsjournalismus!

Jedes Soli-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

168 /Jahr
Abo Abschließen