Die Leute werden immer offener

Von Redaktion · · 2004/12

Eine Sängerin aus dem Iran mit afghanischen Wurzeln studiert in Wien klassische Oper und erfährt hier eine zunehmende Rückbesinnung auf die Musik ihrer Heimat. Südwind-Redakteur Werner Hörtner im Gespräch mit Zohreh Jooya.

Südwind: Wann sind Sie nach Österreich gekommen, und aus welchen Gründen?
Zohreh Jooya:
Im Jahr 1980. Ich wollte Musik studieren in Europa. Zuerst war ich ein Jahr in Amsterdam, habe angefangen, Oper zu studieren. Dort habe ich eine Sängerin kennen gelernt, die hat mich dann mit einer Professorin von der Wiener Akademie bekannt gemacht. In diesem Jahr in Amsterdam war ich einmal auf Besuch in Wien, und die Stadt hat mir so gut gefallen, die Staatsoper, die Musik, alles.
Geboren und aufgewachsen bin ich in Mashhad, im Nordosten des Irans, nahe der Grenze zu Afghanistan.

Welche Erfahrungen haben Sie mit dem österreichischen Publikum gemacht?
Von alleine kommen nicht viele Leute in ein Konzert mit persischer oder afghanischer Musik, außer sie haben einen direkten persönlichen Bezug. Bei meinen Auftritten sind etwa 20 bis 30 Prozent österreichisches Publikum, das aber schon großteils mit meiner Kultur in Berührung gekommen ist. Die meisten Besucher sind afghanischer und persischer Herkunft. Bei den Österreicherinnen und Österreichern gibt es Leute, die sich gezielt für andere Kulturen interessieren. Andere kommen eher zufällig und beginnen dann erst, sich zu interessieren, weil es ihnen gefällt.

Machen Sie auch Tourneen ins Ausland?
Ja, in die Schweiz, nach Deutschland und England, in die USA. Da verhält es sich mit dem Publikum ähnlich wie in Österreich, außer bei Festivals, da ist vor allem nationales Publikum anwesend.

Welche Vorstellung haben Sie von dem, was man so als Weltmusik bezeichnet?
Für mich ist Weltmusik die traditionelle Musik eines jeden Landes, die man nach außen trägt. Das heißt, von der Kultur, in der ich aufgewachsen bin, trage ich etwas nach außen, aber ich bin auch beeinflusst von der Kultur, in der ich lebe. Es wird dann eine Mischung von dem Ursprung und dem, was man dazugelernt hat. Manchmal ist der Anteil des Ursprungs größer, manchmal kleiner.

In welche Richtung entwickeln Sie sich weiter in Österreich?

Ich war ja zuerst sehr verliebt in die Oper, das hat mich auch nach Wien geführt. Langsam wuchs aber die Sehnsucht nach meinen Wurzeln, und das hat mich dann zu dieser traditionellen Musik gebracht. Ich habe begonnen, mich mit den Liedern und der Literatur zu beschäftigen, mit alten Dichtern wie Rumi, Saadi, Hafiz, Nizami.
Ich habe die Wurzeln meines afghanischen Vaters immer in mir getragen, ohne das in irgendeiner Weise ausdrücken zu können. Vom Wiener Integrationsfonds habe ich dann vor etwa vier Jahren die Adresse von einem afghanischen Kulturverein erhalten, mit dem nahm ich Kontakt auf, auch mit anderen afghanischen Künstlern, und von diesem Verein wurde ich dann eingeladen, ein Konzert zu spielen. Das war ein unglaubliches Erlebnis für mich. Mir ist alles hochgekommen, so viele Erinnerungen an die Kultur meines Vaters. Dann habe ich angefangen, mich intensiv damit zu beschäftigen. Bis dahin habe ich nur klassische Musik gesungen und Lieder bis herauf zu Gershwin. Mir gefällt es, wie ich mich jetzt meiner Kultur wieder annähere.

Entwickeln Sie hier die afghanische Musik auch weiter?
Ja, selbstverständlich. Ich arbeite auch mit österreichischen Musikern zusammen. Bei dem Programm „Weihnachtslieder aus aller Welt“ etwa, die sich nicht nur auf den christlichen Raum beschränken, denn so etwas Ähnliches wie Weihnachten gibt es auch in anderen Kulturen und Religionen. Da arbeite ich mit den Jazzmusikern Georg Gratzer und Thomas Mauerhofer zusammen.
Eine ganz neue Zusammenarbeit ist die mit der österreichischen Gruppe Thilges 3. Das ist eine Mischung von elektronischer Musik mit orientalischer Musik und Dichtung. Begonnen hat diese Zusammenarbeit damit, dass mich diese Gruppe zu einem Konzert mit ihnen eingeladen hat.

Sind Sie mit der Rezeption Ihrer Musik in Österreich zufrieden?
Ich finde, es wird immer besser. Die Leute sind immer offener und interessierter. Es hängt aber immer auch davon ab, wie man das rüberbringt.
Was würden Sie sich wünschen bezüglich Ihrer Arbeitsbedingungen in Österreich? Was könnte besser sein?
Ich finde, die Künstler, die hier Weltmusik präsentieren wollen, haben zu fast 99 Prozent nicht die Möglichkeit dazu, weil sie noch nicht so bekannt und interessant sind. Die brauchen Unterstützung. Nicht alle Künstlerinnen und Künstler sind auch organisatorisch gut und gute Geschäftsleute. Es leben viele gute Künstler hier.
Ich arbeite konstant mit zwei Organisationen zusammen, mit „Kulturen in Bewegung“ und mit „Wien Kultur“; ich gehöre zu den Künstlern, die sie immer wieder vermitteln.


Siehe Terminkalender S. 49, Konzert mit Zohreh Jooya in Wien.
Weitere Informationen auf www.zohreh-jooya.org

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