„Die Menschen müssen essen“

Von Redaktion · · 2002/02

Carlos Magariños, Generaldirektor der in Wien ansässigen UNIDO, war am 10. Dezember anlässlich eines Treffens der „Vereinigung Karibischer Staaten“ in Venezuela. Für SÜDWIND schilderte er exklusiv seine Eindrücke.

Südwind: Herr Magariños, Venezuela erlebte am 10. Dezember die größten Massendemonstrationen seit mehr als vierzig Jahren. Wie sind ihre Eindrücke?
Carlos Magariños:
Die Unternehmer des Landes sind mit den 49 neuen Gesetzen und der damit verbundenen Landreform unzufrieden. Sie fürchten, ebenso wie die Gewerkschaften, dass die Betriebe ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Die totale Allianz von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ermöglichte einen fast zu 100 Prozent befolgten Generalstreik.
Kompliziert werden die an sich klaren Fronten jedoch durch die Lobbypolitik der herrschenden Oligarchie und nicht zuletzt die tiefe Armut. Ich hatte zu dem Zeitpunkt allerdings nicht das Gefühl, dass es sich bei den Streiks um einen Versuch handelte, Präsident Chávez aus dem Amt zu jagen. Für mich sah das ganz mehr wie eine neue Runde in einem politischen Spiel aus.

Wie konnte die Region in eine derartige Krise schlittern?
Das Hauptproblem liegt in volkswirtschaftlichem Missmanagement. Die Produktivität ist schlecht, die Gewinnmargen gering. Die hohe Abhängigkeit vom Erdöl hat dem Land ebenfalls geschadet. Am bedrohlichsten erscheint mir aber die ungleiche Verteilung der Ressourcen.

Welche Wege führen aus der Krise?
Wie gesagt, Produktivität und Verteilung müssen verbessert werden. Vor allem muss man weg von der Monokultur Erdöl. Mexiko ist das gelungen. Jetzt versucht die UNIDO, Venezuela dabei zu unterstützen, eine wettbewerbsfähigere Wirtschaft zu entwickeln. Ende November unterzeichneten wir mit Venezuela ein Programm über etwa 500.000 US-Dollar, das dem Land dabei helfen soll, seine Produktpalette zu diversifizieren.

Wie sehen Sie die politische Zukunft des Landes?
Kompliziert. Aus dem Parlament selbst gibt es keine Opposition. Die alten Parteien haben ihre Glaubwürdigkeit verloren und sind durch die „Bolivarianische Revolution“ in Bedeutungslosigkeit versunken. Die alten Oligarchien und Lobbys positionieren sich jetzt über die Straße. Das birgt natürlich die Gefahr von Extremismus. Dieser ist allerdings nachvollziehbar. Die Armut im Lande ist groß. Die Menschen müssen essen. Wenn man ihnen das nicht garantieren kann, wird es gefährlich.

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