Die spekulativen Kapitaltransaktionen bekämpfen!

Von Karin Küblböck · · 2000/07

Die Tobin-Tax ist als Idee nicht neu, doch immer noch gut. Sie könnte Sand ins Getriebe der Spekulation streuen, braucht aber Begleitschutz

Das kanadische Parlament will sie, die finnische Regierung ist dafür, 100 ParlamentarierInnen in Großbritannien haben sich dafür ausgesprochen, im EU-Parlament ist ein Antrag für die Untersuchung der Voraussetzungen dazu mit 225 Pro-Stimmen um nur 4 Stimmen abgelehnt worden. Einige UN-Organisationen sind dafür, zahlreiche NGOs setzen sich dafür ein, und dennoch: Auf der offiziellen Tagesordnung von internationalen Regierungskonferenzen fehlt sie bisher. Die Rede ist von einer Steuer auf Devisenumsätze, besser bekannt unter dem Namen „Tobinsteuer“.

James Tobin, der mittlerweile vermutlich zu den bekanntesten Ökonomie-Nobelpreisträgern zählt, schlug diese Steuer bereits in den siebziger Jahren vor. Er stand damals unter dem Eindruck des zusammengebrochenen Bretton Woods Systems der fixen Wechselkurse, welches nach Ende des zweiten Weltkrieges etabliert worden war.

Durch die seither erfolgten weltweiten Kapitalmarktliberalisierungen hat sich das Volumen der Finanzanlagen insbesondere seit Beginn der neunziger Jahre vervielfacht. Zwischen 1975 und 1994 hat sich der Umsatz auf den Devisenmärkten verachtzigfacht, der Welthandel hat sich im Vergleich nur verzweieinhalbfacht. Mittlerweile macht der Devisenhandel die unvorstellbare Summe von 1,8 Billionen Dollar (1 800 000 000 000 $) pro Tag aus, und es fällt auf, dass seither auch Währungskrisen gehäuft auftreten.

Die Gewinner dieser Entwicklung sind die großen Banken und andere institutionelle Anleger, zu denen auch Pensionsfonds und große multinationale Konzerne zählen. Sie gewinnen nicht nur durch die Spekulation mit Finanzanlagen, sondern auch und insbesondere durch die Möglichkeit, durch ihre gestiegene Macht immer mehr Druck auf Regierungen auszuüben, die Politik in ihrem Interesse zu gestalten. Die Deregulierung der Kapitalmärkte sowie der starke Rückgang der Besteuerung von Kapitaleinkommen zeugen von dieser Entwicklung.

Die Tobin-Steuer wird nun zum einen als Mittel gesehen, die Wechselkurse zu stabilisieren, indem sie das Volumen der Finanztransaktionen reduzieren würde, zum anderen als Möglichkeit, beträchtliche Steuereinnahmen zu erzielen. Die Steuer würde auf jede grenzüberschreitende Finanztransaktion erhoben und würde daher vor allem die kurzfristigen Anlagen, welche als besonders destabilisierend angesehen werden, belasten.

Ein kleines Rechenbeispiel verdeutlicht dies: 40 Prozent der Kapitalanlagen haben eine Zeitspanne von weniger als zwei Tagen, 80 Prozent von weniger als sieben Tagen. Dies würde bedeuten, dass bei einer Steuerrate von nur 0,2 Prozent Spekulanten, die täglich ihre Anlagen wechseln, mit 48 Prozent Jahreszins belastet würden.

Selbst vorsichtige Schätzungen ergeben, dass die Steuer Einnahmen von 150 bis 300 Milliarden US-$ jährlich einbringen könnte. Nach UN-Berechnungen betrügen die Kosten für die Abschaffung der absoluten Armut und der schlimmsten Formen der Umweltzerstörung 225 Milliarden US-$ pro Jahr.

KritikerInnen der Tobin-Steuer betonen immer wieder, dass die Einführung der Steuer die Volatilität nicht reduzieren würde und dass die Effizienz der Kapitalanlagen durch solch eine Steuer verzerrt würde. Es wird auch oft angeführt, dass eine solche Steuer zu leicht zu umgehen wäre, wenn sie nicht von allen Ländern gleichzeitig eingeführt würde. Weiters wird die technische Durchführbarkeit der Steuer in Frage gestellt, also wer sie einheben soll, wie die Mittel verteilt werden sollen etc.

Das oben angeführte Rechenbeispiel zeigt jedoch sehr deutlich, dass kurzfristige Kapitalanlagen tendenziell unrentabel würden. Ungebremste, kurzfristige Finanztransaktionen sind vor allem für die Anleger effizient, ihre fatalen Auswirkungen auf die Gesellschaft konnte man bei den letzten Finanzkrisen beobachten.

Die Tobin-Steuer alleine kann zwar eine bedeutende Wirkung für die Stabilisierung der Devisenmärkte haben, für die effektive Bekämpfung von Finanzkrisen reicht sie allerdings nicht aus. Eine Asienkrise, in der die Investoren gleich einer Schafherde binnen Tagen ihre Mittel aus den betroffenen Ländern abziehen, hätte auch durch eine Tobin-Steuer nicht verhindert werden können. Sie kann somit nur eingebettet in ein Maßnahmenbündel den gewünschten Effekt erzielen, wobei sowohl für Herkunftsländer als auch für Empfängerländer stabilisierende Instrumente zur Verfügung stehen.

Die finnische Regierung und das kanadische Parlament haben die Forderung einer Tobin-Steuer nicht von selbst zu ihrer Position gemacht. Dazu kam es durch bedeutenden Druck einer immer größer werdenden Öffentlichkeit in Richtung Demokratisierung der internationalen Finanzmärkte. In Frankreich wurde vor zwei Jahren eine Bewegung ins Leben gerufen, die sich ATTAC (Initiative für die Besteuerung von Transaktionen zugunsten der BürgerInnen) nennt, und die genau diese Themen anspricht. Innerhalb kürzester Zeit hatte ATTAC Tausende von Mitgliedern, mehr als 130 lokale Gruppen und die von der Bewegung lancierte Tobin-Tax-Petition eine Million Unterschriften. Mittlerweile existieren ATTAC-Gruppen in mehr als 40 Ländern, die deutsche Initiative wurde im Mai der Öffentlichkeit präsentiert.

Auch in Österreich ist die Gründung einer ATTAC-Initiative in Vorbereitung. InteressentInnen können sich an Walther Schütz (oeie-knt@magnet.at) wenden.

Empfehlenswerte Internet-Ressourcen zu diesem Thema:

www.attac.org

www.tobintax.org

www.globalpolicy.org/socecon/glotax/currtax/index.htm

Karin Küblböck ist Ökonomin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Österreichischen Forschungsstiftung für Entwicklungshilfe.

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