Duft- und Luftliteratur

Von Sarah Funk · · 2009/04

Zwei kürzlich erschienene Anthologien von Autorinnen in Malaysia und Indonesien reflektieren den Widerstreit traditioneller Ordnungen mit neuen Konzeptionen von Geschlecht.

Man wird nicht als Frau geboren, man wird dazu gemacht“, schrieb Simone de Beauvoir bereits 1949 und richtete damit den Blick auf die vielfältigen Prozesse der sozialen und kulturellen Konstruktion von Geschlecht und der Hervorbringung von Weiblichkeit und Männlichkeit in einer Gesellschaft. Die Auseinandersetzung mit Geschlechterverhältnissen und ihrer Bedeutung für Kultur, Politik und Gesellschaft ist ein zentrales Anliegen der indonesischen und malaysischen Autorinnen, deren Kurzgeschichten in zwei bei Horlemann erschienenen Anthologien versammelt sind. Was bedeutet es, als Frau in Indonesien aufzuwachsen, zu leben und zu arbeiten? Was meint Frau-sein in Malaysia?
Sowohl in der indonesischen als auch in der malaysischen Gesellschaft sind Frauen mit patriarchalen Strukturen konfrontiert, die Frauen und Männer mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten ausstatten. Das Ideal der gehorsamen, angepassten und sanften Frau tritt jedoch zunehmend in Widerstreit mit neuen, auch widersprüchlichen Konzeptionen von Geschlecht. Traditionelle Geschlechterordnungen werden brüchiger, durchlässiger, mit all den damit verbundenen Herausforderungen und Konflikten. Ihre künstlerische Widerspiegelung und Übersetzung finden die gesellschaftlichen Umbrüche nicht zuletzt im Feld der Literatur.

In Indonesien setzte mit dem Ende der repressiven Suharto-Ära (1965-1998) ein Liberalisierungsprozess ein, der dem künstlerischen und intellektuellen Schaffen von Frauen neue Impulse verlieh.
In „Duft der Asche“ greifen sieben indonesische Schriftstellerinnen aktuelle gesellschaftspolitische Probleme auf und sparen dabei auch gesellschaftliche Tabuthemen wie Sexualität, sexuelle Gewalt, Homosexualität und Polygamie nicht aus. „Ich heiße Nayla. Ich bin eine Frau, aber ich bin nicht schwächer als ein Mann. Weil ich nicht an Mutters Brust gesaugt habe. Ich habe an Vaters Penis gesaugt. Und ich habe keine Muttermilch getrunken. Ich habe Vaters Sperma getrunken.“ Für ihre Kurzgeschichte „Gestillt vom Vater“ erhielt Djenar Maesa Ayu vom Frauenmagazin Jurnal Perempuan (2002) den ersten Preis. Während die einen den vermeintlich pornographischen Inhalt der Kurzgeschichte scharf kritisierten, würdigten die anderen ihren Beitrag zur Bewusstmachung der Problematik sexuellen Missbrauchs an Kindern innerhalb der Familie. Die 1973 in Jakarta geborene Autorin gilt als eine Vertreterin der sastrawangi („Duftliteratur“), einer säkularen Literaturströmung, die von konservativen KritikerInnen als anstößig und unsittlich diffamiert wird, da sie Sexualität offen und vordergründig thematisiert. Die indonesische Gesellschaft ist gegenwärtig von einer Verhärtung der Fronten zwischen liberalen und konservativen Kräften gekennzeichnet. Weit weniger kontrovers wird über eine weitere literarische Hauptströmung, die religiöse Literatur, debattiert. Mit der Kurzgeschichte „Das rote Netz“ (2002) der mehrfachen nationalen Literaturpreisträgerin Helvy Tiana Rosa berücksichtigt die Anthologie auch eine prominente Vertreterin der religiösen Strömung, die in ihren Werken humanitäre Werte direkt mit dem Islam in Verbindung bringt. In ihrem Beitrag setzt sich die 1970 in Medan, Sumatra, geborene Autorin mit den Konsequenzen der Militäroperation in der Provinz Aceh auseinander und betont die Rolle des Islam im Kampf gegen Ungerechtigkeit. Alle Kurzgeschichten der Anthologie können der religiösen oder säkularen Literaturströmung zugeordnet werden und decken eine große inhaltliche wie stilistische Bandbreite ab.

Hawa

„Hawa“ („Luft“) widmet sich dem literarischen Schaffen malaysischer Frauen und versammelt die Kurzgeschichten von 23 Schriftstellerinnen, die vielfach preisgekrönt sind. Auch hier erzählen die Autorinnen aus dem Alltag von Frauen und greifen in z.T. didaktischer Absicht aktuelle Themen auf, so z.B. die Widersprüche zwischen Stadt und Land. Islamische Verhaltensregeln orientieren das Verhältnis zwischen Männern und Frauen, weswegen die Auseinandersetzung mit Religion in vielen Beiträgen eine wichtige Rolle spielt.
Homosexualität bleibt jedoch ein Tabuthema. In Malaysia sind gleichgeschlechtliche Handlungen grundsätzlich strafbar, während der indonesische Staat Homosexualität nicht verbietet.
„Duft der Asche“ ist mit einem von Monika Arnez und Edwin Wieringa verfassten Vorwort versehen, das eine überaus aufschlussreiche Einführung in die neuen Entwicklungen in der indonesischen Literatur gibt und zum besseren Verständnis der Kurzgeschichten ungemein beiträgt. Ein solches lässt „Hawa“ leider vermissen.

Sara Funk ist Diplomandin der Internationalen Entwicklung an der Universität Wien.

Duft der Asche. Literarische Stimmen indonesischer Frauen. Anthologie.
Aus dem Indonesischen und mit einem Vorwort von Monika Arnez und Edwin Wieringa. Verlag Horlemann, Bad Honnef 2008. 126 Seiten, € 12,90

Hawa. Literarische Stimmen malaysischer Frauen. Anthologie.
Übersetzt aus dem Malaysischen von Renate und Hansheinrich Lödel.
Verlag Horlemann, Bad Honnef 2008. 222 Seiten, € 16,90

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