Cáceres: „Eine aggressive Phase des Kolonialismus“

Von Redaktion · · 2012/09

Die Menschenrechtsaktivistin Berta Cáceres im Gespräch mit Südwind-Mitarbeiterin Magdalena Heuwieser über die wachsende Repression in Honduras im Vorfeld der Wahlen und über die Strategien indigener und sozialer Bewegungen zur Neugründung des Landes.

Südwind-Magazin: Wären Sie nicht gerade auf Rundreise in Europa, was wären Ihre aktuellen Tätigkeiten in Honduras? Berta Cáceres: Unsere Bewegung COPINH1) ist gerade in viele Kämpfe rund um die Verteidigung der natürlichen Ressourcen verwickelt, es geht vor allem um die Rückgewinnung von Ländereien und den Einsatz gegen die Privatisierung von Flüssen. Weiters sind wir gegen Staudammprojekte, Monokulturen, große Windparks und weitere Formen der Energieproduktion im Einsatz, von denen viele unter die Clean Development Mechanisms (CDM)2) fallen. So werden z.B. über CDM die Monokulturen eines Großgrundbesitzers in der Region Bajo Aguán finanziert, um Agrotreibstoff herzustellen. Dieser ist gleichzeitig für die Vertreibung und Ermordung von Campesinos verantwortlich.

In Honduras wurden zahlreiche Konzessionen für Staudämme vergeben. Im Territorium des Lenca-Volkes, wo ich herkomme, sind es schon fünfzehn. Häufig werden ganze Flüsse für meist 50 Jahre an ausländische Unternehmen verpachtet. Für uns Indigene bedeutet dies den Verlust der Autonomie, unseres Lebens, der Vielfalt von Pflanzen und Tieren.

Unsere Territorien werden militarisiert, um diese Projekte gegen unseren Willen durchsetzen zu können. Es ist eine sehr aggressive Phase des Kolonialismus, in dem wir nun schon über 500 Jahre leben.

Ist die Repression nun, drei Jahre nach dem Militärputsch, nicht zurückgegangen? Leider nein. Nach dem Putsch vom 29. Juni 2009 hat sich die Menschenrechtssituation stark verschlechtert. Inzwischen sind wir eines der gefährlichsten Länder für JournalistInnen, mit 24 ermordeten Medienleuten in drei Jahren. Es betrifft auch andere Gruppen wie Menschenrechtsverteidiger und -verteidigerinnen, Aktivisten und Aktivistinnen von bäuerlichen, indigenen und LGTB-Organisationen3) sowie Gewerkschaften. Die Unterdrückung verschärft sich nun im Vorfeld der Wahlen, die im Herbst 2013 stattfinden.

Schlimm ist auch das, was wir Medien-Terrorismus nennen. Es handelt sich dabei um eine Logik der Kriminalisierung, des Rassismus, Sexismus und der Xenophobie. Der mächtige Mediensektor kann ohne jedwede Kontrolle agieren, denn er ist mit dem Banken- und Unternehmenssektor und mit transnationalem Kapital verbunden. Widerspenstige Medienleute, die sich trauen, aus dieser Logik auszubrechen, werden bedroht und manchmal auch ermordet.

Bei den Wahlen tritt die neu gegründete Partei LIBRE an, die aus dem Widerstand gegen den Putsch hervorgegangen ist, mit der Präsidentschaftskandidatin Xiomara Zelaya, der Frau des damals gestürzten Staatschefs. Richtig. Wir als COPINH sind jedoch nicht Teil der Partei, wir haben schon vor langer Zeit entschieden, autonom zu bleiben. Wir glauben nicht an wirkliche Veränderungen nur über Wahlen, wissen wir doch, wer die Kontrolle über Wahlausgänge hat. Es braucht strukturelle Transformationen in unserer Gesellschaft, die unter patriarchaler, rassistischer, kapitalistischer Gewalt leidet. Der Kampf gegen diese Herrschaftsformen ist jedoch noch schwieriger sichtbar zu machen als die Bedrohung durch transnationale Konzerne, Paramilitärs und Armee. Es ist ein Kampf, der auf der Straße, in unserem Haus, in unserem Bett beginnen muss.

Und wie schaut dieser Kampf konkret aus? Die Situation kann nicht so einfach von oben verändert werden – selbst wenn im Parlament die neue Partei mit dem Namen „Frei“ die Mehrheit hätte, und selbst wenn eine Frau an der Spitze steht. Sie allein wird das Patriarchat nicht abschaffen können. Wir sind für den Aufbau der Macht von unten, für ein historisches befreiendes emanzipatorisches Projekt, das den Kolonialismus aufbricht.

Der Weg der Neugründung des Landes ruft nach einer humaneren, gerechteren, würdigeren Gesellschaft, nach einer großen Vielfalt an Kultur und Identität mit all ihren Formen des Widerstands, des Denkens und Handelns. Das ist unser Vorschlag als indigene, soziale Bewegung, die unsere Autonomie, unseren Charakter, unsere Natur erhalten will. Aber wir respektieren auch die Vielfalt an Strategien.

Berta Cáceres ist die Gründerin und Koordinatorin von COPINH. Im vergangenen Juni wurde ihr als Auszeichnung für ihren Einsatz für Menschenrechte, insbesondere von Frauen und indigenen Völkern, in Deutschland der Shalom-Preis für Gerechtigkeit und Frieden verliehen.

1) Consejo Cívico de Organizaciones Populares e Indígenas de Honduras: Ein Dachverband sozialer und indigener Organisationen von Honduras, dem an die 500 indigene Gemeinden angehören. COPINH ist auch ein tragendes Element der Nationalen Widerstandsfront gegen den Staatsstreich (FNRP). 2) CDM: Die „Sauberen Entwicklungsmechanismen“ sind Teil des Kyoto-Protokolls und erlauben, über Investitionen in „saubere“ Projekte extra Emissionszertifikate zu erlangen. 3) Abkürzung für Lesben, Homo- und Bisexuelle und Transgender-Personen.

Magdalena Heuwieser nahm 2010 an einer Menschenrechtsdelegationsreise nach Honduras teil und engagiert sich neben ihrem Studium der Internationalen Entwicklung in Wien bei der Solidaritätsbewegung mit Honduras, bei AgrarAttac und der Bewegung für Ernährungssouveränität. http://hondurasdelegation.blogspot.de

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