Eine Unmenge Uhu

Von Rupert Helm · · 1999/10

Leim in der Redaktion, aus Magazinen ausgeschnittene Fotos, ratternde Kugelkopfschreibmaschinen: Vor 20 Jahren war alles anders.

Nächte durchmachen war kurz vor dem Drucktermin ganz normal“, erinnert sich Stefan Schennach, leitender Redakteur der ersten Stunde. Aber mit dem Drucktermin war die Arbeit in den ersten Jahren der EPN nicht zu Ende. Der Druck fand gleich im Haus statt, nächste Tür, beim Hausmeister. Und die Blätter zusammenlegen mußten wieder die Redakteure, wenn keine Zivildiener verfügbar waren. Dann die Stöße mit Leim binden, trocknen lassen, mit dem Küchenmesser in einzelne Exemplare zerschneiden. Adressieren, bündeln und zur Post bringen.

„Meine Technik zu bündeln (zack, zack) wird auch hier im Grünen Klub noch immer bestaunt“, erzählt Schennach lachend. Die Aufhebung der Trennung von Hand- und Kopfarbeit gehörte Anfang der achtziger Jahre in fast jedem Projekt zum Programm.

Die Gründung der EPN fiel zeitlich mit der Gründungsphase von Falter und Remaprint zusammen. Der Falter übernahm den Satz, die Remaprint den Druck der neuen Zeitschrift. Diese Aufträge halfen den beiden bei der Auslastung. Erfolgreich, Falter und Remaprint existieren immer noch, die Remaprint ist heute noch die Druckerei des Magazins.

Mit dem Falter verbindet noch etwas: Armin Thurnher, Chefredakteur des Falter, absolvierte seinen Zivildienst bei den EPN. „Von ihm haben wir eine Menge gelernt“, resümiert Schennach.

INI = Die grafische Branche hat sich in dieser Zeit extrem gewandelt. Schennach: „Wir haben Unmengen an Papier und Uhu verbraucht.“

Vom papierlosen Büro kann auch heute keine Rede sein, Uhu ist in der Redaktion heute eine Rarität. Anfang der achtziger Jahre kamen die Beiträge mit Brief, später dann per Fax. Es wurde redigiert, manchmal der ganze Text nochmals mit der Kugelkopfschreibmaschine abgeschrieben. Im Satzbüro, beim Falter, wurde der Text neuerlich über die Tastatur erfaßt.

Heute erreichen mehr als 90% der Beiträge die Redaktion in elektronischer Form. SetzerInnen und Sekretariatsjobs wurden, wie überall sonst in der graphischen Branche, wegrationalisiert.

Ini = In der ersten Phase gab es natürlich kein Fotoarchiv. Öfter als einmal wurde in letzter Sekunde ein passendes Bild aus dem „Spiegel“ ausgeschnitten und mit Uhu ins Layout geklebt. Pannen waren nicht zu vermeiden, nicht immer hatte das Bild mit der Geschichte zu tun. Einmal mußte aus diesem Grund in der ganzen Auflage ein Bild mit einem Aufkleber überklebt werden.

Später bemühte sich die Redaktion um den Aufbau eines Archivs, Kurt Einzinger (heute bei der Kontrollbank) wurde als Redaktionsfotograf ausgeschickt.

INI = Die Suche nach neuen Wegen in der Entwicklungspolitik hat natürlich ihren Niederschlag auch in der Redaktion gefunden. Die einen wollten eher ein, auch optisch ansprechendes Magazin haben, andere Redaktionsmitglieder meinten, statt eines Fotos könnte man doch noch eine kleine Wahrheit ins Heft rücken. Oder wozu ein farbiges Cover, fürs gleiche Geld können wir vier Seiten mehr Kern drucken. Laut Schennach war es auch nicht einfach, den Verantwortlichen im ÖIE klar zu machen, daß die EPN ein Angebot für alle entwicklungspolitisch Interessierten sein sollten und nicht das Zentralorgan des ÖIE. Schon damals leistete Martin Jäggle, auch heute noch Herausgebervertreter, ganze Arbeit beim Vermitteln von medienpolitischen Weisheiten in Richtung Herausgeber.

INI = Nicht nur um das Ergebnis der Arbeit, auch um die Form, wie die Redaktion zu organisieren sei, wurde wiederholt und ausdauernd diskutiert. Einer Phase mit einem erklärten verantwortlichen Redakteur folgten zwei Jahre in denen der Bilanzordner zwischen zwei Redakteuren (Schennach und Walter Sauer) in halbjährlichen Abständen hin und her gereicht wurden. Viele Jahre wurde mit rotierender Schlußredaktion und ohne Chefredaktion gearbeitet. 1996 wurde schließlich im Rahmen einer größeren organisatorischen Umstellung eine ständige Chefredaktion eingerichtet.

INI = Insgesamt sind EPN und SÜDWIND eine Erfolgsgeschichte. In den Spitzenzeiten erreichte das Magazin rund 8000 AbonnentInnen in 62 Ländern, u.a. auf den Fidschi-Inseln. Und das, obwohl bei Werbung und Marketing immer gespart werden mußte. Trotzdem konnte nie eine finanzielle Unabhängigkeit erreicht werden. Es liegt wohl in der Natur der Sache, daß ein „Special-Interest“ Magazin wie der Südwind nicht kostendeckend geführt werden kann. Über all die Jahre sind erhebliche Mittel der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit in das Blatt geflossen. Ein Zeichen dafür, daß man im Bereich der staatlichen Verwaltung ein kritisches, entwicklungspolitisches Magazin grundsätzlich zu schätzen weiß.

Der Autor ist Verlagsleiter des SÜDWIND-Magazins mit gelegentlichen Ausflügen ins journalistische Fach.

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