„Eine weltpolitische Notwendigkeit“

Von Irmgard Kirchner/Werner Schneyder · · 1999/13

Werner Schneyder, der vielseitige Kulturschaffende, macht sich auch Gedanken über die Zukunft der Entwicklungshilfe. SÜDWIND-Redakteurin Irmgard Kirchner sprach mit ihm über die Verantwortung des Staates und mangelnde Öffentlichkeit.

Werner Schneyder wurde vor allem als politischer Kabarettist – z.B. mit der „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“ – bekannt. Neben seinem Bühnenengagement als Kabarettist und Chansonnier arbeitete Schneyder als Drehbuchautor, Kolumnist, Buchautor, Sportmoderator sowie in der letzten Zeit zunehmend als Theaterregisseur.

SÜDWIND: Was taucht vor Ihrem geistigen Auge auf wenn Sie den Begriff Entwicklungszusammenarbeit oder Entwicklungshilfe hören?

Schneyder: Ich assoziiere damit den legitimen und begrüßenswerten Versuch, nicht der Gleichmacherei, sondern einer Annäherung. Den Versuch des Ausgleichs der schreienden, unerträglichen Differenzen.

Wenn man Entwicklungshilfe betreibt, sollte man an beispielhaft das sittliche, das ethische Anliegen ganz klar herausstellen. Wir haben nur einen Globus, und der Globus kann auf lange Sicht nur zu Frieden gelangen, wenn das soziale und ökonomische Gefälle irgendwie ausgeglichen wird. Insofern ist Entwicklungshilfe ein unglückliches Wort für eine weltpolitische Notwendigkeit.

SÜDWIND: Stört Sie daran die „Hilfe“ oder die „Entwicklung“? Man strebt ja den Begriff Entwicklungspolitik an.

Schneyder: Es kommt darauf an, was entwickelt wird. Eine Monokultur? Eine ökonomische Struktur, bei der Multis besonders gefahrlos und problemlos absahnen können? Oder geht es um ein Heranführen einer gewachsenen Kultur an internationale Standards – unter der Voraussetzung, dass die gewachsene Kultur nicht zerstört wird.

SÜDWIND: In wessen Verantwortung liegt die Entwicklungszusammenarbeit?

Schneyder: Verwirklicht und vertreten können diese Anliegen nur von Regierenden werden. Entwicklungshilfe ist natürlich für den Normalbürger etwas sehr Abstraktes. Man kann nicht verlangen, daß jemand in Vöcklabruck glücklich darüber ist, daß im hintersten Kenia eine Volksschule gebaut werden kann. Das heißt, hier in einer Demokratie müssen die gewählten Vertreter die Verantwortung übernehmen.

SÜDWIND: Die Regierenden argumentieren mit der Knappheit der Mittel.

Schneyder: Dagegen kann man argumentieren: Wir sehen ein, daß wir dringend neue Panzer brauchen, daß wir dringend neue Abfangjäger brauchen, daß wir dringend ein völlig desolates und im Ernstfall vollkommen lächerliches Herr durchfüttern müssen. Man kann eigentlich nur mit im Inland verschleuderten Geldern dagegen argumentieren. Man muß den Leuten auch sagen, in welchen Relationen sich das bewegt, was die Entwicklungszusammenarbeit kostet.

SÜDWIND: Wenn morgen mit einem Federstrich die komplette bilaterale EZA vom Tisch gefegt würde, was würden Sie persönlich vermissen?

Schneyder: Wenn man mir nachweisen kann, daß diese Streichung ein Schlag gegen das Bestreben eines zivilisierten, humanen Globus ist, würde ich sagen: ein Wahnsinn, dass man das streicht. Aber ich nehme auch die Entwicklungszusammenarbeit selbst in die Pflicht. Sie muß das erklären können. Man müßte dem Steuerzahler, der ja letztlich die Mittel bereitstellt, mehr Auskunft geben.

SÜDWIND: Wird die Sache nicht gut genug vermittelt?

Schneyder: Bis gar nicht.

SÜDWIND: Wenn Sie als Kulturschaffender sich überlegen, einen Teil Ihrer Energie wohltätigen Zwecken zur Verfügung zu stellen. Wäre die Entwicklungshilfe auch dabei?

Schneyder: Jetzt ziehe ich mich wieder auf die Funktion eines Wählers in der Demokratie zurück. Ich wähle politische Funktionäre, die den Auftrag haben zu entscheiden.

Ich zahle gerne, freudig, bereitwillig und ohne Ansatz von Manipulation meine Steuern. Dafür verlange ich von der Regierung, dass sie die Bedürftigen ausstattet. Und selbstverständlich gehören für ein reiches Land die Armen der Welt zu den relevanten Bedürftigen.

SÜDWIND: Sind Sie gegen Spenden?

Schneyder: Nein. Ich finde Fund Raising absolut plausibel. Nur bin ich kein Kunde davon. Mir ist der Weg über den Staatshaushalt lieber.

SÜDWIND: Weil …

Schneyder: Weil die Verantwortung eingefordert werden kann. Der Staat soll alles, was auf dem privaten Sektor stattfindet, begrüßen, auch fördern – aber es nicht dazu benützen, sich aus der Verantwortung zu entlassen.

SÜDWIND: Welchen Handlungsspielraum für die Entwicklungszusammenarbeit sehen Sie?

Schneyder: In einer Demokratie kann man die zu Wählenden rückerpressen. Die Organisationen der Entwicklungshilfe sollten zu den Parteien gehen, welchen sie nahe stehen, und sagen: Wenn Ihr unsere Anliegen aus den Augen verliert, seid Ihr für uns nicht mehr wählbar. Das ist das Einzige, was in einer Demokratie möglich ist.

SÜDWIND: Wir danken für das Gespräch.

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