Eingesperrte Minderheit

Von Benjamin Breitegger · · 2021/Jan-Feb
Cox's Bazar, Bangladesch: Nosima Khatom, 70, lebt in einem Rohingya-Flüchtlingslager mit dem eineinhalbjährigen Enkel. © UN Women Asia and the Pacific / Flickr / CC BY-NC-ND 2.0

Hunderttausende Rohingya müssen sowohl in ihrer Heimat Myanmar als auch in Bangladesch, wohin viele geflüchtet sind, in Lagern leben. Ihre Zukunft ist ungewiss.

Von Benjamin Breitegger

Am 8. November 2020 wurde in Myanmar (früher: Burma) gewählt. Es war erst das zweite Mal seit dem Ende der Alleinherrschaft des Militärs vor fünf Jahren. Die Nationale Liga für Demokratie, die Partei der De-facto-Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, konnte ihren Wahlsieg von 2015 weiter ausbauen. Ein Viertel der Parlamentssitze ist allerdings weiterhin für das Militär bestimmt. Nicht wählen durften außerdem Angehörige verschiedener Minderheiten, darunter die Rohingya.Der mehrheitlich buddhistische Staat sieht Rohingya als MigrantInnen aus Bangladesch und verwehrt ihnen das Recht auf Staatsbürgerschaft, obwohl die muslimische Ethnie seit Jahrhunderten im Westen Myanmars lebt.

Staatlich sanktionierte Gewalt, Vertreibung und Diskriminierung gehören zu ihren Alltagserfahrungen.

Doch 2017 kam es zu unglaublichen Gewalttaten und Menschenrechtsverletzungen: Als im August 2017 extremistische Rohingya Polizeiposten überfielen und PolizistInnen ermordeten, reagierte das Militär mit flächendeckender Gewalt. Soldaten überfielen Dörfer der Region, mordeten willkürlich, vergewaltigten und brandschatzten.

Überlebende berichten, dass Uniformierte Babys ins Feuer geworfen und sich an Kindern vergangen hätten. Tausende Menschen wurden getötet, mehr als 730.000 Menschen flohen über die Grenze nach Bangladesch.

Anklage Völkermord. Am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wird deswegen mittlerweile wegen Völkermordes verhandelt. Der westafrikanische Staat Gambia hatte im November 2019 einen Antrag gegen Myanmar eingereicht. Aung San Suu Kyi erklärte in Den Haag, dass die „Absicht des Genozids nicht die einzige Hypothese“ sein könne und verwies auf die kom- plexe Situation im Land. Die Haltung der Politikerin und einstigen Freiheitskämpferin wird immer mehr kritisiert.

Diesen September sagten erstmals zwei Soldaten des myanmarischen Militärs in Den Haag aus. „Schießen Sie auf alles, was Sie sehen und hören“, sei der Befehl seines Vorgesetzten gewesen, erklärte einer von ihnen in seiner Zeugenaussage. Er war beteiligt an einem Massaker an 30 Rohingya, die in einem Massengrab verscharrt wurden.

Rohingya in Myanmar sind laut der NGO Human Rights Watch gezwungen, in Lagern zu leben, kontrolliert vom myanmarischen Militär; es sei ein System der Apartheid. Die Mehrheit der Rohingya lebt heute daher im Nachbarland Bangladesch.

Kutupalong gilt als größtes Flüchtlingscamp der Welt: An der Grenze zu Myanmar im Distrikt Cox’s Bazar erstrecken sich kilometerweit Hütten aus Bambus und Plastikplanen. Eine Rückkehr nach Myanmar ist derzeit ausgeschlossen.

Bangladesch begann im Dezember, Geflüchtete auf eine isolierte Insel im Golf von Bengalen umzusiedeln – unter heftiger Kritik von MenschenrechtlerInnen.

Einige Flüchtlinge fliehen erneut. Sie setzen sich auf Fischerboote, in der Hoffnung, in Malaysia ein besseres Leben zu beginnen. Hunderte starben bisher während der gefährlichen Überfahrt auf dem Meer.

Bedrohung Covid-19. Die Corona-Pandemie hat die Flüchtlingslager in Bangladesch bald erreicht. Am 14. Mai wurde die erste Person positiv auf Covid-19 getestet.

Die derzeitige Situation werde sehr ernst genommen, betont eine Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) auf Anfrage von Südwind Anfang Dezember.

Noch seien die Zahlen niedrig: Derzeit gebe es 363 bestätigte coronapositive Patienten, zehn seien verstorben.

Humanitäre MitarbeiterInnen wurden in Infektionsprävention und -kontrolle geschult, lokales Gesundheitspersonal sowie Imame verbreiten Infos zu den nötigen Schutzmaßnahmen. Die Regierung von Bangladesch und NGOs haben 14 Isolations- und Behandlungszentren für schwere Atemwegsinfektionen errichtet, so das UNHCR. Man bleibe wachsam.

Benjamin Breitegger arbeitet als freier Journalist in Wien. Er studierte Sozialanthropologie und Politikwissenschaft und absolvierte die Deutsche Journalistenschule.

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