„Es bleibt einem die Luft weg“

Von Redaktion · · 2011/04

Die gebürtige Inderin Anuradha Mittal gründete 2004 in Kalifornien das Oakland Institute, einen politischen Think Tank zu sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Fragen.
Ralf Leonhard sprach mit ihr über Rhetorik und Realität bei Agrarinvestitionen.

Südwind-Magazin: Afrikanische Länder haben Land und brauchen Geld. Investoren haben Geld und brauchen Land. Was ist schlecht daran, wenn sie zusammenkommen?
Anuradha Mittal:
Es wird immer von einer Win-win-Situation gesprochen, in der die Investoren die Profite machen und die Dorfgemeinschaften Arbeitsplätze bekommen. Aber wenn man genauer hinsieht, erkennt man, dass es sich um Plantagenwirtschaft handelt, bei der viel Technologie eingesetzt wird. Das ist gut für die Unternehmer, weil sie sich nicht viel mit Arbeitskräften herumärgern müssen. Die wenigen Jobs, die tatsächlich angeboten werden, sind unattraktiv.

Wie reagieren die einschlägigen internationalen Organisationen auf diesen Trend?
Anfangs reagierten internationale Organisationen wie die FAO oder die IFAD (International Fund for Agricultural Development) äußerst besorgt. Aber dann haben sie den neuen Trend augenblicklich in ihre Entwicklungsrhetorik integriert und Investitionen in Agrarland als Entwicklungschance für Dritte-Welt-Länder und besonders für Afrika dargestellt. Im Westen hat man dann eine süße Hülle für die bittere Pille geschaffen und für Investoren, die den Gemeinschaften ihre Ressourcen wegnehmen, einen Verhaltenskodex entworfen.

Ich war vor kurzem bei einer Investorenkonferenz. Wenn man die Leute da offen reden hört, bleibt einem die Luft weg. Sie wollen das beste Land mit Wasser und Stromversorgung, Zugang zum Markt und guten Straßen. Wenn der Vertrag von der anderen Seite nicht eingehalten wird, können sie sich auf eine Garantie von MIGA stützen, das ist die Investitionssicherheitsagentur der Weltbank.

Gibt es in Afrika überhaupt ungenutztes fruchtbares Land?
Das kommt darauf an, was man darunter versteht. Für manche Leute ist wahrscheinlich Land, das von Hirtennomaden als Korridor benutzt wird, ungenutzt. Oder Land, das zur Regeneration einige Jahre nicht bebaut oder einfach für künftige Generationen aufbewahrt wird. Wir untersuchen das in unseren Studien.

In der Regel wird gepachtet, nicht gekauft. Warum?
Sie wollen kein Landeigentum, deswegen ist Pacht die günstigste Lösung. Meistens müssen sie die ersten Jahre keinerlei Abgaben zahlen. Langfristige Verträge finden wir meistens bei den Golfstaaten und China. Denen geht es um langfristige Nahrungssicherung für ihre Bevölkerung.

Warum lassen sich Regierungen auf Verträge ein, die offenkundig so nachteilig sind?
Da ist einmal die Weltbank, die die Krise genutzt hat, um den Ländern Investitionsagenturen aufzuschwatzen. Die Länder suchen verzweifelt Geld und sind für den Druck der Internationalen Finanzagenturen empfänglich. Dann gibt es viele Investoren, die sich gar nicht an die Regierungen wenden, sondern direkt mit lokalen Oberhäuptern verhandeln.

Das Problem ist, dass sie niemandem Rechenschaft geben müssen. Es ist ziemlich schockierend zu sehen, welche Renditen sie ihren Anlegern in Aussicht stellen. In den USA sind fünf bis sechs Prozent Rendite normal. Diese Fonds versprechen aber 20 bis 25 Prozent.

Angebaut wird ja in Monokulturen. Inzwischen haben zumindest kritische Think Tanks nachgewiesen, dass Kleinbauern langfristig viel wirtschaftlicher arbeiten als dies auf Plantagen möglich ist. Warum wird dieses Modell nicht hinterfragt?
Es sind längst nicht mehr nur progressive Think Tanks, die diese Ansicht vertreten. Das UNDP und selbst die UNCTAD haben festgestellt, dass biologische Landwirtschaft die Lösung ist, wenn man die Weltbevölkerung ernähren will. In Afrika haben ja 90 Prozent der Bauern weniger als drei Hektar Land. Die kann man nicht in eine Tretmühle von patentierten Saaten und chemischen Düngemitteln stecken. Denken wir nur an Indien, wo mehr als 200.000 Bauern – Männer und Frauen – Selbstmord begangen haben, weil sie ihre Schulden bei den Saatgut- und Agrarmultis nicht mehr bezahlen konnten. Aber die Erkenntnisse von UNCTAD werden systematisch ignoriert. Es ist unverständlich, wie die Politiker sich gleichzeitig über den Klimawandel den Kopf zerbrechen und Monokulturen als Lösung für den Hunger anpreisen. Die Auswirkungen der Plantagen auf das Weltklima bekommen wir alle zu spüren.

Gibt es denn positive Beispiele von Landinvestitionen im großen Stil?
Ich kenne keine. Mehr als eine Milliarde Menschen leiden an Hunger und wir nehmen solchen Leuten Land weg. Es ist ja wirklich erstaunlich, welche Privilegien den ausländischen Investoren angeboten werden. Ich frage mich, warum keine Regierung auf die Idee kommt, die gleichen Privilegien der einheimischen Bevölkerung anzubieten, damit sie Nahrungsmittel für den eigenen Markt produzieren kann.

Ralf Leonhard, freier Journalist und Südwind-Mitarbeiter der ersten Stunde, lebt in Wien

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