Etappensieg im Kampf um Reformen in Thailand

Von Sven Hansen · ·
Menschen beim Urnengang in Thailand
Urnengang in Thailand © Chainwit / CC BY-SA 4.0 / commons.wikimedia.org

Die Opposition gewann die Parlamentswahlen in Thailand klar. Dass das einen Politikwechsel bringt, ist aber längst nicht ausgemacht.

Bei den Wahlen am 14. Mai war zwar ein Sieg der Opposition absehbar, aber nicht ein so deutlicher: Die Reformpartei Move Forward und die bisher führende Oppositionskraft Pheu Thai („Partei für Thais“) erzielten zusammengezählt 293 der 500 Parlamentssitze. Dabei verwies Move Forward die Pheu Thai-Partei des Thaksin-Clans rund um den Unternehmer und einstigen Premier Thaksin Shinawatra auf Platz zwei.
Seit dem Jahr 2000 hatten die neureichen wie populistischen Thaksins und ihre Strohleute jede Wahl gewonnen, wurden aber 2006 und 2014 per Militärputsch und 2008 per Gerichtsentscheid gestürzt.
Jetzt hat der Sieg von Move Forward erstmals das Potenzial, den jahrelangen Machtkampf zwischen Thaksins Anhänger:innen, den sogenannten Rothemden, und den in der Farbe des Königshauses gekleideten Gelbhemden (Militär und traditionelle Elite) zu überwinden. Move Forward und Pita Limjaroenrat, der junge Spitzenkandidat, stehen für einen Generationswechsel und für überfällige demokratische Reformen.

Schwächelnde Militärs
Zugleich ist die Niederlage der Militärfraktion deutlicher als sonst. Deren zwei Führer, die bisher gemeinsam agierten, traten erstmals gegeneinander an und wirken einzeln noch schwächer: So kommt die Partei des bisherigen Regierungschefs, Ex-General Prayut Chan-o-cha, mit 36 Sitzen nur auf Rang fünf, die seines bisherigen Stellvertreters, Ex-General Prawit Wongsuwan, mit 41 Sitzen auf Rang vier. Daraus können sie keinen Regierungsanspruch ableiten.
In der thailändischen Scheindemokratie bedeutet die große Parlamentsmehrheit der Opposition aber noch längst keinen Regierungswechsel. Denn der Premier wird nicht nur vom Parlament, sondern auch vom Senat gewählt. Die 250 Senator:innen bestimmt allein das Militär. Um in beiden Gremien zusammen eine Mehrheit zu erzielen, sind 376 Stimmen nötig. Die haben die Wahlsieger:innen trotz des großen Sieges nicht. Move Forward hat jetzt ein Bündnis aus acht Parteien mit insgesamt 313 Mandaten geformt – und damit immer noch zu wenig.

Ringen ums Regieren
Wer regieren darf, wird deshalb von Verhandlungen abhängen. Die Wahlsieger:innen hoffen, dass Senator:innen doch noch dem Wählerwillen folgen. Doch dem Militär nahe Senator:innen könnten auch genau das nicht machen, weil sie um ihre Macht fürchten.
Move Forward will den Paragrafen 112 des Strafgesetzbuches reformieren. Er ist das härteste Gesetz gegen Majestätsbeleidigung der Welt. Immer wieder missbraucht es die royalistisch-konservative Elite, um diejenigen auszuschalten, die politische Reformen verlangen. Die meisten Parteien, auch aus der neuen Koalition, trauen sich nicht an eine Reform des Gesetzes heran, aus Angst vor dem putschfreudigen Militär, das sich als Beschützer des Königshauses sieht.
Verzichtet Move Forward jetzt auf eine Reform, bekommt sein Bündnis vielleicht eine Mehrheit, verprellt aber zugleich die Basis. Wird auf der Reform bestanden, drohen ein Putsch oder juristische Probleme bis hin zur erzwungenen Auflösung der Partei. Auf dem langen Weg zu Reformen ist die von der bisherigen Opposition gewonnene Wahl nur ein erster Etappensieg.

Sven Hansen ist Asien-Redakteur der taz in Berlin und war heuer mehrere Wochen in Thailand.

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