„Europa nutzt die Schwäche Afrikas aus“

Von Redaktion · · 2007/11

Gyekye Tanoh aus Ghana sieht die Freihandelsabkommen (EPAs) der EU mit den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks als Vehikel europäischer Unternehmen, sich weltweit ein Maximum an Rechten heraus zu holen. Südwind-Redakteurin Martina Kopf sprach mit dem Aktivisten des African Trade Network, treibende Kraft der internationalen Stop-EPA-Kampagne.

Südwind: Ihre Organisation übersetzt EPA – kurz für Economic Partnership Agreement – mit „Endless Poverty for Africa“ (Armut ohne Ende für Afrika), was eine sehr provokante Aussage ist.
Gyekye Tanoh: Mit den EPAs ist das Tor offen, dass billige, subventionierte Produkte aus Europa, inklusive Agrarprodukte, afrikanische Märkte überschwemmen können. Damit wäre gleich einmal der Lebensunterhalt von Millionen von Kleinbauern – Männer und Frauen – zerstört, manche werden daran sterben. Ich denke, dass diese konkrete Lebensgefahr provokanter ist, als Worte es je sein können.

Die EU begründet die EPAs damit, dass die aktuellen Regelungen den AKP-Staaten bessere Konditionen als anderen Entwicklungsländern einräumen und daher nicht WTO-konform sind.
Was stimmt. Die Europäer sagen aber auch, es gäbe keine andere Alternative, als diese Abkommen zu unterzeichnen. Aber um WTO-gerecht zu sein, ist es nicht notwendig, die öffentlichen Dienstleistungen zu liberalisieren, wie es in den EPAs verhandelt wird. Einzig notwendig ist, eine für alle Entwicklungsländer gültige Zollregelung für den Handel mit Waren zu finden. Für die am wenigsten entwickelten Länder, zu denen viele der AKP-Staaten gehören, existiert das bereits mit dem „Everything but arms“-Programm der EU. Für andere Entwicklungsländer hat die EU bereits das GSP-plus (Generalized System of Preferences – Allgemeines Präferenzsystem), eine eigene Handelsregelung für den Zugang zum Markt, der für alle Länder mit verletzlicher Ökonomie und guter Regierungsführung gilt. Kein Land kann auf Grundlage dieser Regelung diskriminiert werden, weil es objektive Kriterien dafür gibt, ob es davon begünstigt wird oder nicht.

Welche Interessen sollte die EU dann mit den Abkommen verfolgen?
Ich sehe die EPAs als das Herzstück von Europas Globalisierungsstrategie, wie sie von der Europäischen Kommission im Oktober 2006 im Dokument „Globales Europa“ veröffentlicht wurde. Dort definiert die EU die so genannten neuen oder handelsbezogenen Themen als die wichtigsten. Sie haben nicht mit Handel per se zu tun, sondern mehr mit Regulation und Handelsbedingungen. Das umfasst eine große Bandbreite an Unternehmensrechten hinsichtlich Umwelt- und Arbeitsstandards. In den EPAs spielen sie eine wichtige Rolle.
Verglichen mit allen anderen Regionen der Welt werden europäische Unternehmen beim Start einer neuen Generation von Unternehmensrechten in Afrika auf den geringsten Widerstand stoßen. Europa nutzt die Schwäche Afrikas aus, um sich Rechte und Handlungsmöglichkeiten heraus zu schinden, die es global als Maßstab einsetzen wird.

China spielt für Afrikas Wirtschaft eine immer größere Rolle. Stärkt das nicht die Verhandlungsposition afrikanischer Regierungen gegenüber der EU?
Europa ist nach wie vor der größte Geber von Entwicklungshilfe und wichtigster Handelspartner Afrikas. 52 Prozent unseres Handelsvolumens entfallen auf Europa. Die EPAs sind ein Wettbewerbsinstrument Europas. Um mithalten zu können, werden alle Wirtschaftskonkurrenten – sowohl die alten, wie die USA und Japan, als auch neuere wie China – versuchen müssen, dieselben oder sogar bessere Bedingungen für sich heraus zu holen. Sie machen es noch schwerer, die negativen Auswirkungen, die China in Afrika haben mag, zu beschränken.

Wie stehen afrikanische Regierungen den EPAs gegenüber?
Man darf die Ungleichheit in afrikanischen Ländern nicht übersehen. Es gibt sehr reiche Eliten, die genauso viel Interesse an Neoliberalismus, Globalisierung und dem Abbau von Arbeits- und Umweltstandards haben wie andere auch. Sie dominieren üblicherweise auch die Politik. Bisher haben sie sehr davon profitiert, dass die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden. Nur wenige Leute wissen, worum es dabei geht. Die Leute wissen, was Liberalisierung bedeutet – sie spüren es jeden Tag. Aber über die EPA-Verhandlungen werden sie nicht informiert.

Der Widerstand gegen die EPAs scheint von Nichtregierungsorganisationen über Gewerkschaften und Politiker viele am Kontinent zu mobilisieren. Kann man von einer neuen Bewegung sprechen, die da im Entstehen ist?
Es sind Elemente aus beidem, alt und neu. Die aktuelle Anti-EPA-Vernetzung wäre nicht möglich ohne die Entschuldungskampagne, ohne die Anti-WTO-Proteste von Seattle 1999, ohne die Anti-Apartheid-Bewegung. Viele derer, die den Kampf gegen die EPAs für sinnlos gehalten haben, weil sie unvermeidlich seien und der Neo-Liberalismus nicht aufzuhalten sei, denken heute anders. Das macht die Debatte auch so kontroversiell. Inzwischen denken manche Regierungsmitglieder der AKP-Staaten über Alternativen nach. Das sind Erfolge, wie auch die Vertiefung zivilgesellschaftlicher Vernetzung ein Erfolg ist. Der endgültige Erfolg ist aber nur der, wenn du gewinnst. Und davon sind wir sehr, sehr weit entfernt.

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