Familie

Von Brigitte Pilz · · 2000/06

Von schwer verständlichen Büchern

Jeder hat eine Familie. Ja, aber jeder hat nur „seine“ Familie. Und trotzdem meinen alle, bei diesem Thema Wesentliches zu sagen zu haben. Stimmt auch. Ob wir es wollen oder nicht: Wir alle kommen Zeit unseres Lebens nicht von unseren Familienbanden los. Das gibt Kraft und Sicherheit. Das kann aber auch heißen: Verpflichtungen spüren, festgebunden sein, nicht entrinnen können.

Das Thema Familie beschäftigt uns alle. Und deshalb kann es schwierig sein, „objektiv“ darüber zu reden. Ungewollt spielen die eigenen Erfahrungen mit und es kann zu unzulässigen Verallgemeinerungen kommen. Dabei sagt ein chinesisches Sprichwort: Jede Familie hat ihr schwer verständliches Buch.

Trotzdem: Familienstrukturen sind in den verschiedenen Kulturen gewachsen und in diesen verwurzelt (auch wenn die handelnden Personen Ländergrenzen überschreiten). Dementsprechend gibt es ähnliche Muster und strukturelle Unterschiede: Kernfamilie, erweiterte Familie, Großfamilie, Ein-Eltern-Familie – um nur einige Formen zu nennen.

Das Konzept für dieses SÜDWIND-Thema sah vor, Familienformen aus verschiedenen Ländern und Kulturen vorzustellen und Veränderungen aufzuzeigen, natürlich auch die Gründe für diese Veränderungen zu benennen. Dann kamen die Beiträge: aus dem sozialistischen Kuba, aus dem islamischen Irak, aus dem schon-nicht-mehr-Entwicklungsland Brasilien. Alle AutorInnen schildern dramatische Umwälzungen im Alltag und in der Struktur von Familien. Und was mich erstaunte: Sie liegen in all diesen Fällen im Ökonomischen. Genauer: in der prekären wirtschaftlichen Situation eines wesentlichen Teils der Gesellschaft. Diese prägt stärker als traditionelle Werte, sozialistische Leitideen, westliche Vorbilder oder Modernisierungsbemühungen der Politik. Mehr noch: Die Armut macht Errungenschaften zunichte, die zuvor mitunter unter größter individueller und gesellschaftlicher Anstrengung erreicht worden sind.

Auf der Suche nach dem Thema Familie in der Literatur, beispielsweise in der afrikanischen, zeigt sich ebenfalls auffallend häufig, dass Verelendung Familienstrukturen auflöst oder umformt. Wir haben dennoch ein Beispiel gewählt, das einen anderen Aspekt herausstreicht: die Ängste, welche mit der Veränderung von Rollenbildern einhergehen. Familie gibt nicht zuletzt Sicherheit oder sollte sie geben. Das ist eine Erwartungshaltung, die wir alle – über kulturelle und sonstige Grenzen hinweg – gelernt haben, und von der wir nicht ohne weiteres lassen können.

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