Fit für die Welt

Von Redaktion · · 2002/05

Die Globalisierung erfordert neue Fähigkeiten in interkultureller Kommunikation. Worin bestehen diese und wie sind sie erlernbar? SÜDWIND-Redakteurin Irmgard Kirchner hat sich auf einer internationalen Konferenz in Wien umgehört.

Schafft die Globalisierung eine Welt ohne kulturelle Unterschiede? Nein, gerade die Globalisierung mache einen genauen und sensiblen Blick auf diese Differenzen notwendig, sagen diejenigen, die davon leben, andere im Umgang mit kulturellen Unterschieden zu schulen. So genanntes interkulturelles Training wird heute auf der Basis einer breiten Palette von Disziplinen angeboten: von Unternehmensberatung, Wirtschaftswissenschaften, Psychologie über Kulturanthropologie, Kommunikationswissenschaften bis zur Pädagogik.
Etwa 420 „InterkulturalistInnen“ aus über 20 Ländern trafen einander Mitte April im Gebäude der Wiener Wirtschaftsuniversität zu einem Kongress mit dem Thema „Intercultural Competence in a Globalised World“. Als Veranstalterin fungierte SIETAR Austria, der knapp über ein Jahr alte und damit jüngste regionale Spross von SIETAR, der Society for Intercultural Education, Training and Research, die 1974 in den USA gegründet wurde.
In Wissenschaft und Praxis ist es unbestritten, dass „Kultur“ alle Lebensbereiche beeinflusst. Die Themen des Kongresses waren jedoch klar von Fragestellungen der international tätigen Wirtschaft dominiert.
Astrid Kainzbauer vom Zentrum für Auslandsstudien an der WU Wien, Mitbegründerin von SIETAR Austria und Mitorganisatorin des Kongresses: „Untersuchungen beweisen, dass 40% aller gescheiterten Geschäftsbeziehungen auf Grund von ‚Kultur‘ scheitern. Doch Kultur als Grund wird nicht anerkannt, man führt Misserfolge auf die Unfähigkeit der handelnden Personen oder auf externe Umstände zurück.“ Für die Firmen hätten interkulturelle Trainings einen „beinhart finanziellen“ Wert.
Eines der derzeit „heißen“ Themen seien „interkulturelle Teams“. Firmen, Schulen oder Universitäten stünden heute vor der Herausforderung, Leute aus fünf oder zehn Kulturen in einem Raum zu haben, die alle miteinander arbeiten und umgehen müssten.
Andreas Köstenbauer, der für die kirchliche Entwicklungsorganisation Horizont3000 interkulturelle Begegnungsreisen veranstaltet, bemerkt zum Kongressprogramm: „Der globale Süden wird hier nicht registriert. In meinem Arbeitsbereich, der Entwicklungszusammenarbeit, geht es darum, in einer Kultur Gast sein zu können. Und das ist ein ziemlich anderer Anspruch.“

Die Psychologin Joy Buikema Fjaertoft bereitet in Norwegen MitarbeiterInnen der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen auf ihren Auslandseinsatz vor.
Fjaertoft: Kulturelle Vielfalt in Teams könne sich zerstörerisch auswirken, falls es zur Bildung von negativen Stereotypen komme. Unterschiede sollten jedoch keinesfalls unterdrückt oder eingeebnet werden. Denn am kreativsten und leistungsfähigsten seien Teams, die positiv und bewusst mit Unterschieden umgingen.
Kulturelle Unterschiede als Wissens- und Kreativitäts-Reserve, die es zu nützen gilt. In diese Kerbe schlägt auch Nigel Holden von der Leiden University School of Management. „Eine echte Herausforderung für internationale Firmen ist die Frage, wie Wissen weltweit transferiert wird.“ Aktuelle Forschungsergebnisse gingen davon aus, dass etwa 75% aller internationalen Aktivitäten mit dem Transfer von Wissen zu tun haben, nicht mehr mit dem bloßen Kaufen und Verkaufen der klassischen Exportökonomie. In der Wissensökonomie sei es sehr wichtig, dass Organisationen von ihrer Umgebung lernen, von den Interaktionen mit fremden Kunden und mit all ihren Anspruchsgruppen weltweit.

Welche Qualifikation soll überhaupt vermittelt werden, wenn von interkultureller Kompetenz die Rede ist? Anette Hammerschmidt von Siemens Deutschland hat klare Vorstellungen: „Sich in einer Welt, die zunehmend komplexer wird durch die Internationalisierung in dieser Dimension der internationalen Vernetzung zurechtzufinden.“
Die Kulturaspekte würden sich dabei nicht isoliert, sondern in einer konkreten Situation in einem bestimmten Kontext zeigen. Läuft ein internationales Projekt nicht erwartungsgemäß, können kulturelle Aspekte eine Rolle spielen. Genauso gut kann es aber an Strukturen oder an Besetzungsproblemen liegen.
Hammerschmidt sieht als eines der brennendsten Themen im Bereich der interkulturellen Kommunikation die Beantwortung der Frage: Wie wird mit dem Begriff Kultur operiert? Wo liegt die Ursache vielleicht an anderen Faktoren? „Es passiert uns im Leben immer wieder, dass wir falsche Schlüsse ziehen.“
In diesem Sinne können interkulturelle Trainings sogar kontra-produktiv sein. Davor warnt zumindest die Ethnologin Joana Breidenbach, die vorgesehene, jedoch erkrankte Hauptrednerin des dritten Kongress-Tages: Oft würden diese Trainings erst das schaffen, was sie zu beseitigen vorgeben: nämlich stereotype Kulturbilder.

sietar.wu-wien.ac.at

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