Fleisch, ein heißes Thema

Von Martin Schlatzer · · 2013/03

Der wachsende Konsum von Fleisch aus industrieller Massenproduktion heizt den Klimawandel an und verschärft die Lage der Ernährungssicherheit auf der Erde.

Der Trend bei den weltweiten Ernährungsgewohnheiten ist deutlich: Während der Verzehr von Fleisch in den Industrieländern stagniert oder leicht zunimmt, ist die Nachfrage in Schwellen- und Entwicklungsländern stark angestiegen. China hat seinen Fleischkonsum in den letzten 30 Jahren auf ca. 60 Kilogramm pro Person und Jahr vervierfacht. Das bevölkerungsreichste Land (1,3 Mrd. Menschen), das sich in der Vergangenheit traditioneller Weise pflanzenbetont ernährt hat, ist damit auf dem besten Weg, das Konsumniveau der Industrieländer (ca. 82 kg/Person/Jahr) beim Fleischkonsum zu erreichen. China, das bereits mit dem Problem der Unterernährung konfrontiert ist, hat nun mit neuen gesundheitlichen Herausforderungen der Überernährung zu kämpfen. Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind deutlich im Vormarsch und gesundheitliche sowie ökologische Probleme sind die Folge dieses Ernährungswandels, den Europa schon in ähnlicher, jedoch langsamerer Form vor Jahrzehnten vollzogen hat.

So hat der Fleischverbrauch auch in Österreich mit rund 100 Kilogramm pro Person und Jahr ein bemerkenswert hohes Niveau erreicht. Dabei entfallen 56,8 Kilo auf Schweinefleisch, 20,1 kg auf Geflügel, 18,3kg auf Rind- sowie Kalbfleisch, und der Rest auf andere Fleischsorten. In Österreich werden jährlich mehr als 70 Mio. Hühner, 5,6 Mio. Schweine, 620.000 Rinder und 290.000 Schafe geschlachtet – d.h. ca. 134 Hühner, 11 Schweine, 1 Rind und 1 Schaf pro Minute. Dazu kommt noch der Verzehr von Kälbern, Ziegen, Pferden, Puten, Enten, Gänsen, Perlhühnern und Fischen.

Es gibt natürlich auch Menschen, die bewusst kein Fleisch konsumieren oder zur Gänze tierische Produkte von ihrem Speiseplan gestrichen haben. In Österreich haben sich ca. 3 Prozent der Bevölkerung für eine vegetarische Ernährung entschieden. In Deutschland sind es ca. 9 Prozent, in Indien bis zu 40 Prozent und weltweit gerechnet ca. 10 Prozent der Menschen. Auffallend ist bei den VegetarierInnen der viel größere Anteil von Frauen.

Auch wenn ein Trend zu bewussteren und verstärkt vegetarischen Ernährungsweisen bemerkbar ist, dürften sich ohne Gegensteuerung der Fleischkonsum und die entsprechende Produktion in den nächsten 40 Jahren wegen der gesteigerten Nachfrage mehr als verdoppeln. Gerade in Schwellenländern, in denen die Urbanisierung sowie die Einkommen zunehmen, wird die Nachfrage nach Fleisch, dem neuen erschwinglichen Luxusgut, weiterhin deutlich steigen.

Laut FAO, der Umwelt- und Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen, zeichnet die Tierhaltung für 18 Prozent aller globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das ist mehr als der gesamte Transportsektor mit 13,5 Prozent – mehr als alle Autos, LKWs, Traktoren, Flugzeuge etc. zusammen. Auf der Produktebene zeigt sich ein ähnliches Bild. Dabei wirken sich nicht nur Fleisch- und Fleischprodukte negativ auf das Klima aus, sondern auch Milchprodukte, insbesondere Käse. In Deutschland verursachen Milchprodukte sogar mehr Treibhausgasemissionen als Fleisch, auch aufgrund der großen Menge, die verzehrt wird. Pflanzliche Produkte haben im Durchschnitt eine um 10- bis 20-mal bessere Treibhausgasbilanz als tierische Produkte. Durch eine ovo-lacto-vegetarische Ernährung ließen sich beispielsweise jedes Jahr 30-50 Prozent der individuell verursachten Treibhausgase einsparen. Auch eine vegane Ernährung hat ein großes Potenzial, einen aktiven Beitrag zum Schutz des Klimas und der Umwelt zu leisten (siehe Grafik). Aufgrund der hohen Klimakosten von Fleisch plädierte Rajendra Pachauri, Chef des Weltklimarates (IPCC), vor dem Europaparlament in Brüssel für die Einführung eines vegetarischen Montags. Motto der Kampagne: „less meat = less heat“. Die Idee eines vegetarischen Wochentages wurde beispielsweise von den Städten Bremen oder Gent sowie vom Land Oberösterreich bereits offiziell umgesetzt.

Tierische Produkte wirken sich nicht nur stark auf das Klima aus, sie benötigen im Vergleich zu pflanzlichen Produkten auch deutlich mehr Fläche – für Weideland und die Futtermittelproduktion. Dafür werden Regenwälder, die gerade für das lokale und auch das globale Klima äußerst relevant sind, abgeholzt. So benötigt man für die Herstellung tierischer Produkte 2- bis 3-mal mehr Land, Wasser und Energie. Ein wesentlicher Grund für den hohen Land- und Wasserverbrauch sowie die negative Klimabilanz liegt in der geringen Effizienz der Tiere bei der Umwandlung von Futtermitteln in verwertbare Lebensmittel, in den sogenannten Veredelungsverlusten. Fast das gesamte im Getreide enthaltene Protein und die Energie, sowie sämtliche Ballaststoffe gehen vor allem für den Stoffwechsel und in Form von Exkrementen verloren. Für die Herstellung von 1 Kilogramm Hühnerfleisch werden 4,5 kg an Futtermitteln, für 1 kg Schweinefleisch 9 kg und für 1 kg Rindfleisch sogar 25 kg an Futtermitteln benötigt. Über 40% der weltweiten Getreideernte und 90% der Weltsojaernte werden an Tiere verfüttert.

Argumente für eine verstärkt pflanzliche Ernährung

  •   Geringerer Landverbrauch: Von den weltweiten Landwirtschaftsflächen werden 80% von der Tierhaltung beansprucht.
  •  Einsparung und Erhalt wichtiger Wasserressourcen: Für die Produktion von 1 kg Fleisch werden ca. 4.000-15.000 Liter Wasser benötigt, für 1 kg Gemüse hingegen 200 l.
  •  Schutz der Wälder: 70% der bisher abgeholzten Regenwälder des Amazonasgebietes wurden für die Weidehaltung und der Großteil der restlichen 30% für den Futtermittelanbau gerodet.
  •  Schonung der Böden: durch geringeren Stickstoffeintrag und Förderung der Bodenfruchtbarkeit.
  •  Erhalt der Artenvielfalt: durch Aufrechterhaltung von Naturhabitaten und Regenwäldern.
  •  Verminderung der Futtermittel-Importe aus Entwicklungsländern: Steigerung von Beschäftigungsrate und Selbstversorgungsgrad in betroffenen Ländern durch freiwerdende Flächen auf Grund verringerter Monokulturen.
  •  Effizienterer Umgang mit Nahrungsmittelressourcen: durch Wegfall von „Veredelungsverlusten“ bzw. einer Verkürzung der Nahrungsmittelkette.
  •  Ökonomische Ersparnisse: aus wegfallenden Subventionen und verringerten Kosten für das Gesundheitssystem.
  •  Vermindertes Tierleid: durch geringere Tierbestände und weniger Tiertransporte.
  •  Gesundheitliche Vorteile.

Aus: Martin Schlatzer, „Tierproduktion und Klimawandel“, Lit Verlag, Wien-Zürich 2011.

Durch eine Verkürzung der Nahrungskette bzw. den direkten Konsum von verzehrbarem (Futter-)Getreide ist ein großes Einsparpotenzial gegeben. Gemäß Berechnungen des UNEP, des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, könnte der Kalorienbedarf von 3,5 Mrd. Menschen gedeckt werden, wenn die potenziellen Futtermittel direkt dem Menschen zur Verfügung stünden; wird mit ihnen Fleisch hergestellt, lediglich der Kalorienbedarf von knapp 1 Mrd. Menschen.

Neben den bereits heute unterversorgten bzw. hungernden Menschen (derzeit ca. 1 Mrd.) werden in den nächsten 40 Jahren zumindest 2 Mrd. Menschen zusätzlich zu ernähren sein. Der nach wie vor schnell wachsende Fleischkonsum, der Verlust von fruchtbaren Böden, lokale Wasserengpässe und Extremereignisse durch den Klimawandel werden den Druck auf die Ernährungssicherung signifikant erhöhen. Mögliche technologische Lösungen werden nicht ausreichen, um die Effizienz der Tierproduktion ausreichend zu steigern oder die damit verbundenen Treibhausgasemissionen zu senken. Achim Steiner, Untergeneralsekretär der UNO und UNEP-Exekutivdirektor betont, dass „zwei weitgefasste Bereiche derzeit einen unverhältnismäßig hohen Einfluss auf die Menschen und die lebenserhaltenden Systeme des Planeten haben – das sind der Energiebereich in Form fossiler Brennstoffe sowie die Landwirtschaft, insbesondere die Viehzucht für Fleisch und Milchprodukte“.

Ein Forscherteam der Universität Amsterdam konstatiert, dass die zentrale Frage mittelfristig nicht die sein werde, ob man die wachsende Bevölkerung ernähren könne, sondern ob man die Tiere ernähren könne.
Um den Druck unserer Ernährungsweisen auf unseren Planeten zu reduzieren, kann eine deutliche Reduzierung des Konsums tierischer Produkte oder eine vegetarische Ernährungsweise als wichtige Handlungsoption verstanden werden.

Der Autor ist Ernährungsökologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Meteorologie an der Universität für Bodenkultur in Wien.
Er widmet sich interdisziplinären Forschungsprojekten zum Themenbereich Ernährungssicherung, Klimawandel und Landwirtschaft.
martin.schlatzer@boku.ac.at

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