„Fremde nur als Arbeitskraft bewertet“

Von Ralf Leonhard · · 2002/04

Wer in Österreich leben und arbeiten will, der soll auch Deutsch können: Das ist der Kern der Reform des Fremdenrechts, das mit Jahresbeginn 2003 in Kraft treten soll und derzeit heftig diskutiert wird.

Hundert Stunden Deutschkurs sind vorgesehen für alle Fremden, die seit weniger als fünf Jahren in Österreich leben oder neu zuwandern. In Fachkreisen hält man weniger als 600 Stunden Sprachunterricht für unzureichend, vor allem für Menschen mit geringem Bildungsniveau.
Die Kosten übernimmt der Staat oder der Arbeitgeber nur zur Hälfte. Wer die Prüfung schafft, bekommt ein Visum für zwei Jahre. Damit erschöpfen sich auch schon die so genannten Integrationsmaßnahmen: eine Arbeitsgenehmigung ist mit den Sprachkenntnissen nicht automatisch verbunden. Es ist auch nicht vorgesehen, dass legal in Österreich lebende AusländerInnen zumindest kommunales Wahlrecht bekommen.


Südwind: Was halten Sie von dem so genannten Integrationsvertrag?
Terezija Stoisits
: Ich fange mit dem Positiven an. Bisher muss jemand, der fünf Jahre legal im Lande ist, seine Beschäftigungsgenehmigung alle fünf Jahre erneuern. Das soll sich jetzt ändern, denn da gibt es einen entsprechenden Richtlinienentwurf der EU. Ansonsten enthält das Paket unter dem Slogan „Integration vor Neuzuzug“ keine Integrationsmaßnahmen, sondern zusätzliche Hemmnisse bei der Aufenthaltsverfestigung, wie z.B. die Zwangsverpflichtung zum Deutschkurs. Und man suggeriert den Österreichern, dass es die Probleme, die es beim Zuzug von Ausländern gibt, künftig nicht mehr geben wird.

Das Erlernen der Sprache ist doch eine Integrationsmaßnahme.
Sicher. Aber die Art und Weise, wie die Regierung das präsentiert, ist kontraproduktiv. Denn eine Zwangsverpflichtung mit Sanktionen entbehrt jeder pädagogischen Sinnhaftigkeit.
In den Niederlanden und Schweden gibt es tatsächlich einen Vertrag, den ein Neuzuwanderer mit dem Staat schließt. Doch dieses Paket umfasst insgesamt 600 Stunden Sprachunterricht. Hier sind es 100 Stunden, und man muss sie obendrein zur Hälfte selbst bezahlen. Als strengste aller Sanktionen ist dem Zuwanderer in Holland der Entzug eines kleinen Teils der Sozialhilfe angedroht.

Ist ein umfangreicheres Paket überhaupt diskutiert worden?
Der Name Integrationspaket ist ein Euphemismus. Das Paket besteht in erster Line darin, dass die Wirtschaft flexibel auf ausländische Arbeitskräfte zurückgreifen kann, indem man etwas schafft, was es in Österreich bisher nicht gab, nämlich befristet beschäftigte Fremde. Früher nannte man das Saisonnier. Und das mit allen negativen Implikationen, die der Zuzug von Ausländern mit sich bringt, aber keiner einzigen positiven. Was ihren Status als Fremde angeht, sind sie vollkommen rechtlos. Sie werden ausschließlich als Arbeitskraft bewertet.

Hat es in Österreich eine breite Dikussion von Fachleuten gegeben, wie etwa in Deutschland mit der Süßmuth-Kommission?
In Österreich hat man diese Möglichkeit, Fachleute, NGO-Vetreterinnen und -Vertreter, Arbeitgeber und Arbeitnehmerseite und die Kirchen zu Wort kommen zu lassen und deren Fachwissen zu nutzen, gänzlich beiseite gelassen. Zum Schaden der österreichischen Bevölkerung, der inländischen und der ausländischen. Das Bekenntnis zum Zuwanderungsland fehlt bei uns völlig. Zukünftige demographische Probleme bleiben ebenso unberührt wie die Gegenwartsprobleme im Zusammenleben von In- und Ausländern. Von rechtlicher Gleichstellung ist keine Rede. Der rote Faden sind die Sanktionen, sprich Schikanen.

Terezija Stoisits ist Minderheiten- und Menschenrechtssprecherin der Grünen.

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