Für ein Weltbewusstsein

Von Erhard Stackl · · 2016/05

Warum wir mit erhobenem Kopf und aufrecht durch die Krisen gehen sollen.

Angesichts der Krisen, in denen Österreich und die Welt festgefahren scheinen, wächst die Zahl der Menschen, die in Depression und Zukunftsangst verfallen. Ihnen möchte man zurufen: Kopf hoch! Es gab schon öfter geschichtliche Phasen – etwa während und nach Kriegen – in denen sich Hoffnungslosigkeit breitmachte. Und doch begannen einzelne Menschen, dann immer mehr, nach Auswegen zu suchen.

Unter den Ursachen des multiplen Organversagens gibt es eine gemeinsame: eine weltweite Verteilungskrise. Im globalen Süden kämpfen viele um das tägliche Überleben. Kriege, Hunger und Klimawandel setzen Millionen Menschen in Bewegung. Im globalen Norden stemmt sich dem ein nationalistischer, sogar wieder „völkischer“ Gruppenegoismus entgegen. Warenströme und Kommunikation fließen frei um die Welt. Unsere Städte sind vielfältiger geworden; viele haben inzwischen Freunde und Familienangehörige aus anderen Ländern und Kulturkreisen. Dieser Trend wird sich wohl langfristig fortsetzen.

Zusammenhänge. Doch die Entwicklung des Bewusstseins vieler Menschen hält da nicht mit. Sie wollen, dass alles bleibt, wie es „bei uns“ üblich war. Den Zusammenhang zwischen dem Wohlstand „bei uns“ und der Misere anderswo sehen sie nicht. Das muss nicht so sein.

Vor knapp fünfzig Jahren gab es kein Umweltbewusstsein. Nicht einmal das Wort war bekannt, als der „Club of Rome“ die „Grenzen des Wachstums“ aufzeigte. Inzwischen gibt es kaum noch jemanden, der dem Umweltschutz keinen wichtigen Stellenwert einräumt. Auch wenn längst noch nicht alles getan ist – prinzipiell wurde das Umweltbewusstsein in der Gesellschaft verankert.

Was es jetzt braucht, ist ein Weltbewusstsein. Die EuropäerInnen (NordamerikanInnen, AustralierInnen etc.) müssen sich darüber klarwerden, dass die Zustände in vielen Krisengebieten auch Folgen ihrer Politik sind. So hat der Nahostkonflikt wesentliche Wurzeln im Verhalten europäischer Großmächte am Ende des Ersten Weltkriegs. Viele Hungerregionen befinden sich auf dem Gebiet ehemaliger Kolonien. In jüngster Zeit kamen Länder des Südens durch die neoliberale Wirtschaftspolitik des Nordens unter die Räder, wie der Menschenrechtler Manfred Nowak im Südwind-Interview sagt (siehe Seite 36).

Zutiefst europäisch. Schon verklagen indigene Gruppen mit ihren Anwälten die (Mit-)Verursacher von Klima- und anderen Katastrophen in den Konzernzentralen wegen Verletzung ihrer Menschenrechte. Supermarktketten werden für Rechtsbrüche verantwortlich gemacht, die Palmöl-Plantagenbesitzer oder Textilfabrikanten am anderen Ende der Lieferkette begehen. Der Norden muss für die Folgen seines Verhaltens im Süden Verantwortung übernehmen.

Menschenrechte sind nicht zahnlos. Der Druck der internationalen Öffentlichkeit brachte vor 1989 sogar Diktaturen in Ost und West dazu, sie nicht länger mit Füßen zu treten. Solche Gedanken gehen auf die Aufklärung zurück, auf Denker wie Immanuel Kant, der im späten 18. Jahrhundert für ein „Weltbürgertum“ und für ein „Weltgastrecht“ (auch für Flüchtlinge) eintrat. Das sind keine „bei uns“ fremden Utopien, sondern zutiefst europäische Werte.

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