Gegenwind für Trump

Von Redaktion · · 2017/06

Wieso trotz der rückwärtsgewandten Klimapolitik des US-Präsidenten die Weichen längst auf mehr erneuerbare Energien gestellt sind. Dorothea Hahn berichtet aus New York.

"Danke für 100 Tage Fortschritt, Präsident Trump“, schrieb die „National Association of Manufacturers“ in einer ganzseitigen Anzeige: „Sie haben die erdrückenden Regeln abgeschafft, die Energieentwicklung und Energieunabhängigkeit behinderten.“ Die mehrere hunderttausend US-Dollar teure Verbeugung der Herstellervereinigung mit ihren 11.000 Mitgliedern erschien am 29. April zugleich in der Washington Post, im Wall Street Journal und anderen US-amerikanischen Zeitungen.

Am selben Tag gingen an zahlreichen Orten des Landes hunderttausende KlimaaktivistInnen auf die Straße – städtische Linke, Bäuerinnen und Bauern sowie Indigene. Mit Slogans wie: „Es gibt keinen Planeten B“ und „Wir wollen erneuerbare Energie jetzt“ protestierten sie gegen Trumps Klimapolitik. Obwohl die RepublikanerInnen jetzt die Mehrheit aller Bundesstaaten sowie den Kongress und das Weiße Haus kontrollieren, sind die Klima-AktivistInnen zuversichtlich, dass sie in Washington gehört werden.

In seinen Wahlkampfauftritten hatte Trump den Klimawandel als „chinesische Erfindung“ bezeichnet, hatte versprochen, dass er den „Krieg gegen die Kohle“ beenden werde und hatte angekündigt, dass er als Präsident das Pariser Klimaabkommen, das im November 2015 von fast 200 Staaten angenommen wurde, aufkündigen werde. Einmal im Amt holte er seit Jänner ein halbes Dutzend Klimawandelleugner aus der Republikanischen Partei und aus Lobbygruppen der Industrie an Spitzenpositionen in seiner Regierung. Er machte den langjährigen ExxonMobil-Chef Rex Tillerson zum Außenminister, den ehemaligen texanischen Gouverneur und Ölinvestor Rick Perry zum Energieminister und den ehemaligen Justizminister des Ölstaates Oklahoma, Scott Pruitt, zum Chef der Umweltbehörde EPA. In seiner früheren Position hatte Pruitt insgesamt dreizehn Mal gegen Auflagen der Behörde geklagt, die er jetzt führt und deren Einfluss er radikal zurückdrehen will.

Mineralölindustrie am Zug. Auch bei Themen, die in den zurückliegenden Jahren zu Symbolen einer klimapolitischen Wende geworden waren, setzte Trump ein Zeichen. So genehmigte er den Bau von zwei umstrittenen Ölpipelines: Key–stone XL und Dakota Access; er öffnete den Weg für die zuvor auf den Index gesetzten Ölbohrungen im Atlantik, in der Arktis und in Nationalparks und erlaubte der Kohleindustrie, ihre Schadstoffe in Flüsse einzuleiten. Und er beauftragte seine Regierung mit der Auflösung des „Clean Power Plan“ von Präsident Barack Obama, der die CO2-Emissionen der Kohlkraftwerke reduzieren sollte. „Die Trump-Regierung tut alles, was auf der Wunschliste der Mineralölindustrie steht“ stellt Bill McKibben, der Gründer der Klimaschutzorganisation „350.org“ fest: „Diese Leute haben lange auf absolute Macht gewartet. Jetzt haben sie sie. Und machen das Meiste daraus.“

Klar ist: Was in der Wirtschaftsmacht USA passiert, hat globale Folgen. Doch ganz so radikal, wie Trump die Klimapolitik angeht, kann sie gar nicht werden. Denn auch in den USA sind die Weichen längst auf sauberere und mehr erneuerbare Energien umgestellt.

Dafür sorgten neben dem Engagement von KlimaschützerInnen und den Auflagen der Obama-Regierung vor allem die Kräfte des Marktes und neue Technologien. 32 große Energieerzeuger des Landes zogen zwar gegen den „–Clean Power Plan“ vor Gericht. Aber gleichzeitig stellten sie ihre Kraftwerke von Kohle auf Gas um, das durch die neuen Frackingtechnologien unschlagbar billig geworden ist. Viele investieren zugleich in Wind- und Sonnenenergieanlagen. „König Kohle kommt nicht zurück“, erklärt der ehemalige New Yorker Bürgermeister und Milliardär Michael Bloomberg kategorisch.

Windenergie im Sauseschritt. Seit Anfang des Jahres wurde alle 2,4 Stunden irgendwo in den USA eine neue Windturbine installiert. Im Laufe von drei Monaten kamen so 2.000 Megawatt Windenergie dazu. Das entspricht der Produktion von drei Kohlekraftwerken, und damit ist unter Trump die Wachstumsrate der Windenergie größer denn je, vermeldet die American Wind Energy Association (AWEA). Die meiste Windenergie wird in dem Bundesstaat hergestellt, der auch die Ölförderung anführt: Texas.

Trotz mineralölfreundlicher Politik der US-Regierung scheint die Wende eingetreten zu sein: Die Windenergie wächst und wächst.© Tomasz Zajda / Fotolia

Die Wachstumsraten bei der Windenergie sind eine direkte Konsequenz von Steuererleichterungen für erneuerbare Energien, die der Kongress geschaffen hat. Doch Börsenfachleute gehen davon aus, dass Windenergieanlagen auf dem Land schon bald keine Hilfe mehr benötigen werden. Spätestens Mitte des nächsten Jahrzehntes werden sie auch ohne Subventionen konkurrenzfähig mit fossilen Brennstoffen sein. Bereits jetzt stellen immer mehr Kommunen auf wachsende Anteile von erneuerbaren Energien um.

Einige der größten Unternehmen – darunter Wal-Mart, Microsoft und General Motors – folgen dem Trend. Und bis 2030 müssen die Energieversorger in großen Bundesstaaten die Hälfte ihrer Energie aus erneuerbaren Quellen herstellen, so haben es unter anderem die politisch Verantwortlichen in New York und Kalifornien entschieden. Atlanta im Bundesstaat Georgia hat als 27. Stadt (nach unter anderem San Diego, Salt Lake City und Chicago) entschieden, dass sie ihre Energieversorgung bis 2035 komplett auf erneuerbare Quellen umstellen will.

Abschied von der Kohle. Direkt nach China sind die USA weiterhin der zweitgrößte CO2-Erzeuger der Welt. Doch zugleich schrumpft ihr Kohlekonsum und ihr Park von Kohlekraftwerken. Die Umweltorganisation Sierra Club hat im Jahr 2010 damit begonnen, den Ausstieg aus der Kohlewirtschaft und die Verschrottung von Kohlekraftwerken – beziehungsweise ihre Umstellung auf Gas – zu dokumentieren. Zwei Monate nach Trumps Amtsantritt konnte sie in Ohio ihren 250. Erfolg vermelden: Am 20. März teilte dort die Firma Dayton Power & Light mit, dass sie zwei Stationen bis 2018 schließen wird. Die beiden Kohlekraftwerke sind, so die Begründung des Unternehmens, „ökonomisch nicht mehr rentabel“. Mit ihrem Ende reduzierte sich der Park von Kohlekraftwerken in den USA seit dem Beginn der Kampagne des Sierra Clubs um die Hälfte.

Zum Niedergang der Kohle gehört auch, dass der Bundesstaat Alaska im März seinen einzigen Kohle-Exportterminal geschlossen hat und dass die PacRim Coal ihren Antrag auf Kohlebergbau in Chuitna, südwestlich von Anchorage zurückzog. Die Energieerzeuger in 26 Bundesstaaten, die gegen Obamas Clean Power Plan vor Gericht zogen, steigen heute fast alle aus der Kohle aus. Ihre Gründe sind nicht nur die niedrigen Gaspreise und die sinkenden Gestehungskosten von Wind und Sonnenenergie, sondern auch die Klimapolitik. Selbst wenn Trump an seinem Abbau von Umwelt- und Klimaregeln festhalten sollte, bleiben die Auflagen in den einzelnen Bundesstaaten in Kraft. Es kommt hinzu, dass niemand weiß, ob die Gerichte Trumps Abwicklung der Klimagesetze unterstützen werden und wie lange er sich im Amt halten kann.

„Der Präsident mag den Abstieg der Kohle punktuell um ein oder zwei Jahre verlangsamen“, sagt Jonathan Koomey, der an der Universität Stanford über Treibhausgase lehrt, „aber die mächtigen ökonomischen Faktoren, die die Nachfrage nach Elektrizität gesenkt und zum schnellen Wachsen von Alternativen geführt haben, werden davon wahrscheinlich nicht beeinflusst.“

Die Energieerzeuger denken gar nicht daran, die von Trump versprochenen neuen Jobs in der Kohle zu schaffen, sondern entfernen sich immer weiter davon. 2016 war der Wendepunkt. In diesem Jahr wurde in den USA zum ersten Mal mehr Elektrizität aus Gas als aus Kohle erzeugt. „In dem gegenwärtigen Umfeld werde ich keine neuen Kohlekraftwerke bauen“, erklärte Ben Fowke, der Chef von Xcel Energy, der in acht Bundesstaaten tätig ist: „Und wenn ich keine neuen baue, wird es eines Tages keine mehr geben.“

Konzerne fürs Klimaabkommen. Anders als die rechts stehende National Association of Manufacturers wollen Mineralölkonzerne wie ExxonMobil und Kohlebergbauunternehmen wie Peabody und Cloud Peak an dem Pariser Klimaabkommen festhalten. Richard Reavey, Vizepräsident von Cloud Peak glaubt, dass die USA dadurch ihren Einfluss auf die globale Klimapolitik behalten. Außerdem erhoffen die Energieunternehmen sich finanzielle Unterstützung für die Reduzierung von CO2-Emissionen sowie Zugang zu von internationalen Organisationen wie der Weltbank geförderten Kohleprojekten. Den schrumpfenden Kohlemarkt im eigenen Land wollen sie mit Export kompensieren. Ihr größter Markt ist China, wo sie auch die Kohlelieferungen aus Nordkorea ersetzen wollen.

Die Mineralölkonzerne hingegen setzen weiterhin sowohl auf den nationalen als auch auf den internationalen Markt. Der Fracking-Boom der zurückliegenden Jahre hat die heimische Gas- und Ölproduktion binnen eines Jahrzehnts fast verdoppelt. Jetzt bauen die Unternehmen nicht nur Pipelines für den Abtransport ihres Rohstoffs von den Bohrstellen, sondern investieren auch Milliarden in neue Raffinerien und Verladestationen, um es als Flüssiggas auf die asiatischen Märkte zu verschiffen.

Kreativer Widerstand. Die DemonstrantInnen, die an Trumps hundertstem Tag als US-Präsident gegen seine Klimapolitik auf der Straße waren, probieren unterdessen neue Formen des Widerstandes aus.

Sie haben begonnen, die Abgeordneten in ihren Wahlkreisen zur Rechenschaft zu ziehen. Mancherorts trommeln Demonstranten nächtens vor den Privatwohnhäusern von Kongressabgeordneten. Außerdem bereiten sich KlimaaktivistInnen darauf vor, bei kommenden Wahlen selbst für lokale und nationale Ämter zu kandidieren.

Als scharfe Waffe erweist sich ökonomischer Druck. Bereits seit 2012 wächst die „Divest-Bewegung“ (als Gegenkonzept zum Investieren), die historische Boykottkampagnen zum Vorbild hat. „Schmeißt die CO2-Lobby heraus“, empfiehlt die Gruppe „350.org“ Universitäten, Rentenfonds, Kirchengemeinden, Kommunen und Individuen. Nach Recherchen von Gofossilfree.org sind bislang 719 Institutionen dem Aufruf gefolgt und haben Anlagen von insgesamt 5,45 Billionen Dollar abgestoßen, auch mehr als 58.000 Individuen haben ihre Anlagen in fossile Brennstoffe in Höhe von 5,2 Milliarden veräußert. Als erste Großstadt beteiligte sich Seattle an der Divest-Bewegung. Dort kündigte der Stadtrat seine Zusammenarbeit mit der WellsFargo-Bank auf, weil das Finanzinstitut ein Geldgeber der Dakota Access Pipeline (DAPL) ist.

Für die Großbank mögen die Geschäftseinbußen aus Seattle nur ein Detail sein, doch für die Indigenen, die monatelang in Tipis in der Prairie gegen die DAPL protestiert haben, war die Entscheidung des Stadtrates in der 2.000 Kilometer weiter westlich gelegenen Stadt eine starke Unterstützung.

Ihre Protestcamps in der Prairie haben inzwischen NachahmerInnen an mehr als einem Dutzend anderen Orten der USA gefunden, wo ebenfalls Pipelines und andere Ölprojekte geplant sind.

Dorothea Hahn ist US-Korrespondentin der deutschen Tageszeitung taz.

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