Geld neu denken

Von Redaktion · · 2018/Sep-Oct

Wie Zahlungsmittel Werkzeuge der Transformation sein können. Monika Austaller, Ruth Fulterer und Leonie Sontheimer informieren im Rahmen unserer Serie „Nach dem Wachstum“.

„Bezahlen Sie in Euro oder in Chiemgauer?”, fragt die Verkäuferin einer Rosenheimer Buchhandlung. Hier wird der „Chiemgauer” als Zahlungsmittel akzeptiert, wie in über 500 weiteren Geschäften, Hotels und Handwerksbetrieben im oberbayerischen Chiemgau.

Das Regionalgeld wurde 2003 von dem Waldorflehrer Christian Gelleri im Unterricht entwickelt, um regionale Wirtschaftskreisläufe zu stärken. Es ist dem Freigeld von Wörgl nachempfunden, das in den 1930ern enormen wirtschaftlichen Aufschwung für die Tiroler Gemeinde brachte. Beides sind sogenannte Schwundgelder – sie verlieren mit der Zeit an Wert. Die Idee zum Schwundgeld, auch Freies Geld genannt, hatte der Finanztheoretiker Silvio Gesell im 19. Jahrhundert.

Ein Hunderter-Schein des Chiemgauers beispielsweise, den man gegen 100 Euro eintauschen kann, ist nach drei Monaten nur noch 98 Euro wert. Für zwei Euro kann man sich einen Aufkleber kaufen und ihn auf die Chiemgauer-Note kleben, dann ist er wieder für drei Monate gültig. Schwundgeld anzuhäufen hat keinen Sinn. Besser, man bringt es in Umlauf. Da es sich nur in der Region ausgeben lässt, wird die lokale Wirtschaft angekurbelt.

Ein Widerspruch? Die Wirtschaft ankurbeln – das ist doch das Gegenteil von dem, was Wachstums-KritikerInnen wollen. „Zentral am aktuellen Finanzsystem ist, dass Geld systematisch knapp ist”, erklärt Stefan Mekiffer, Ökonom und Autor. Das liege an den Zinsen: „Einen Kredit bekommt nur, wer versprechen kann, dass er die Wirtschaft irgendwie zum Wachsen bringen wird.” Denn nur so ist es möglich, den Kredit mitsamt Zinsen zurückzuzahlen.

Freies Geld könnte einen Ausweg bieten, in Verbindung mit einem bedingungslosen Grundeinkommen. Keiner müsste finanziell wachsen, um an Geld zu kommen. Davon erhofft sich Mekiffer eine gerechtere Verteilung von Reichtum und weniger Druck für Unternehmen, mehr und mehr zu produzieren und damit der Umwelt zu schaden.

Zahlreiche Varianten. Nicht alle sind überzeugt davon, dass Mekiffers Reform eine gerechtere und nachhaltigere Wirtschaft schaffen würde. Aber Initiativen für ein alternatives Finanzsystem gibt es zahlreiche, überall auf der Welt. In letzter Zeit in unserer Nähe die Vollgeld-Abstimmung in der Schweiz oder die österreichische Gemeinwohlbank, die derzeit Startschwierigkeiten hat. (Die Finanzmarktaufsicht hat der Bank für Gemeinwohl die Konzession für das Betreiben eines Zahlungsinstitutes verweigert, die Genossenschaft sucht nun nach anderen Wegen.)

Sie alle haben erkannt: Das Finanzsystem ist nicht naturgegeben. Menschen haben es erfunden und Menschen können es verändern. Zum Beispiel so, dass es das Wohl von Mensch und Umwelt in den Mittelpunkt stellt.

Nächste Folgen der Serie im Südwind-Magazin Extrablatt 9/2018 sowie in der kommenden Printausgabe.

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