Geschichte & Wirtschaft

Von Richard Solder · · 2014/10

Jahrzehntelang Einparteienstaat

Tunesien, lange osmanische Provinz, wurde 1883 in das Kolonialreich Frankreichs eingegliedert. Früh rührte sich Widerstand. Am 20. März 1956 wurde die Unabhängigkeit erreicht. Im Zuge des Unabhängigkeitskampfes wurden die Destur- sowie die Neo-Destur-Partei zu einem mächtigen Faktor im Land. Unter der Führung der Neo-Destur entwickelte sich Tunesien in den 1960er Jahren zu einem Einparteienstaat.

1987 kam Zine el-Abidine Ben Ali von der Neo-Destur-Nachfolgepartei RCD an die Macht und sollte bis 2011 Präsident des Landes bleiben. Auslöser der tunesischen, und damit der arabischen Revolutionen ab 2011, war die Selbstverbrennung des Gemüsehändlers Mohamed Bouazizi im Ort Sidi Bouzid.

Die Protestbewegung führte zum Sturz des Diktators Ben Ali, der am 14. Jänner 2011 nach 23 Jahren Herrschaft ins Exil floh. Am 23. Oktober 2011 fanden die ersten freien Wahlen zu einer Verfassunggebenden Versammlung statt, die die moderat-islamistische Ennahda-Partei gewann.

2013 kam es neben Übergriffen auf PolitikerInnen, die nicht der Ennahda-Partei angehörten, zur Ermordung des linken Oppositionspolitikers Chokri Belaïd und des Ennahda-Kritikers Mohamed Brahmi. Nach weiteren Massendemonstrationen wurde ein nationaler Dialog einberufen, der eine ExpertInnen-Regierung unter der Führung von Mehdi Jomaâ ernannte. Am 7. Februar 2014 verabschiedete die Versammlung die neue Verfassung, die Meinungsfreiheit und Gleichberechtigung festschreibt und u.a. von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon als „historischer Meilenstein“ bezeichnet wurde. Am 26. Oktober wählt Tunesien ein neues Parlament, am 23. November einen neuen Präsidenten.

Ein Land mit Potenzial – und Wirtschaftskrise

Tunesien ist mit 163.610 km2 der flächenmäßig kleinste Maghrebstaat. Die knapp elf Millionen starke Bevölkerung umfasst laut der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung eine breite Mittelschicht und kann im regionalen Vergleich ein hohes Bildungsniveau vorweisen. Zudem gibt es eine hohe Zahl fähiger TechnokratInnen. Die Frauen spielen in der Gesellschaft eine aktive Rolle. 

Das Wirtschaftswachstum lag 2012 bei 3,6 Prozent, 2013 bei 2,7 Prozent. Die traditionell wichtige Tourismusbranche erlitt in den vergangenen Jahren massive Einbrüche. Die Investitionen nahmen deutlich ab, und über 150 ausländische Firmen haben ihre Niederlassungen in Tunesien geschlossen. Zudem hat bis heute die Situation in Libyen Auswirkungen auf die tunesische Wirtschaft. Die Arbeitslosigkeit steigt. Fast vierzig Prozent der HochschulabsolventInnen suchen einen Arbeitsplatz.

Die kommende Regierung muss Antworten darauf finden, wie jene Regionen, die nicht wie die Tourismuszonen subventioniert werden, gefördert werden können – und die stärker werdende Ungleichheit innerhalb der Bevölkerung bekämpft werden kann.

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