„Gewaltfreie Bewegungen haben sehr viel geschafft“

Von Redaktion · · 2014/05

Thomas Roithner ist Forschungsdirektor am Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung auf der Friedensburg Schlaining. Mit Südwind-Redakteur Richard Solder sprach er über erfolgreiche friedliche Umbrüche in der Geschichte, die vergebliche Suche nach einem Patentrezept und die kleinen, aber wichtigen Erfolge in der Friedensarbeit.

Südwind-Magazin: Der gewaltfreie Protest in Kiew mündete in einen Konflikt, in dem Menschen erschossen wurden. In Ägypten ist nach dem Sturz Husni Mubaraks durch die Tahrir-Bewegung 2011 das Militär weiterhin bestimmende Macht. Sind das für Menschen wie Sie, die zum Thema Frieden arbeiten, Rückschläge?
Thomas Roithner:
Wir erleben eine Menge solcher Momente. Wenn ich das Gegenteil behaupten würde, wäre das schlicht nicht die Wahrheit. Nun, was können wir als kleines Institut bewegen? Wir können versuchen, so vielen Menschen wie möglich einen Impuls zu geben. Etwa über unsere Ausbildungen. Stichwort Ukraine und Russland: Wir hatten schon viele Teilnehmer aus dieser Region. Historisch gesehen gibt es sehr wohl eine Reihe von gewaltfreien Bewegungen, die sehr viel geschafft haben.

Haben Sie Beispiele?
Neben den Bewegungen von Mahatma Gandhi oder Martin Luther King etwa die Philippinen Mitte der 1980er Jahre; Madagaskar, wo es 1990/1991 einen gewaltfreien Umsturz gegeben hat; Osteuropa 1989/1990, wenn man es in seiner Gesamtheit betrachtet; oder Südafrika (auf dem Weg aus der Apartheid Anfang der 1990er Jahre; Anm.). Ich war mehrmals dort und habe mir das angeschaut – es ist erstaunlich, was in einem Land passiert ist, in dem es ein derartiges Konfliktpotenzial gegeben hat.

Kann man an solchen Beispielen Kriterien festmachen, unter welchen Rahmenbedingungen gewaltfreie Bewegungen erfolgreich sein können?
Seriöserweise nein. Auch wenn das immer wieder versucht wird. Jeder Konflikt hat ein Bündel an Ursachen und unterschiedlichen Akteuren. Dazu kommen Fragen, wie das Militär im jeweiligen Land reagiert, sowie die Rolle der Medien. Ich warne davor zu versuchen, ein Patentrezept für den Erfolg zu definieren und die Verschiedenartigkeit der Konflikte auszublenden.

Österreichs Friedensburg

Das Friedenszentrum Burg Schlaining im Südburgenland, acht Kilometer von der ungarischen Grenze entfernt, wurde 1982 gegründet. Im Schatten des Eisernen Vorhangs setzte sich die Institution für Frieden zwischen Ost und West ein. Die Friedensburg erarbeitete sich über die Jahre international einen guten Ruf. In Kursen und Trainings können sich Interessierte in Wahlbeobachtung, Krisenmanagement oder zivil-militärischer Kooperation weiterbilden. Zudem forscht das Friedenszentrum zu Peacebuilding, Friedens- und Demokratiethemen, Sicherheitspolitik und zum Nahen Osten. sol

www.friedensburg.at

In Schlaining wird seit über 30 Jahren zu Frieden geforscht, Menschen werden in gewaltfreier Konfliktbearbeitung ausgebildet. Ist die Welt in dieser Zeit friedlicher geworden?
Die Anzahl der Kriege hat in der letzten Zeit global abgenommen. Was uns hier im EU-Raum betrifft, so herrscht kein Krieg nach einer gängigen Definition. Allerdings führte die EU seit gut zehn Jahren etwa 30 Auslandseinsätze durch, darunter zahlreiche Militäreinsätze wie im Kongo, im Tschad oder die vorgebliche Piratenjagd vor Somalia. Die EU setzt hier zweifellos wirtschaftliche und geopolitische Interessen durch. Und wenn man an die Flüchtlings- und Migrationspolitik der EU denkt – die ist nicht friedlich und nicht gewaltfrei.

Welchen Effekt haben die Ausbildungen, die in Schlaining angeboten und von internationalen Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Anspruch genommen werden?
Es gibt Teilnehmer unserer Trainings, die aufgrund ihrer Funktionen – zum Beispiel in internationalen Organisationen – große Gestaltungsmöglichkeiten haben. Es sind aber oft kleine Schritte, die nicht so sichtbar sind. Wenn etwa im Kongo oder in einem lateinamerikanischen Land Menschen, die bei uns eine Ausbildung gemacht haben, das Gelernte in ihrem Umfeld umsetzen. Gruppen, die davor gar nicht miteinander konnten, kommen zum Beispiel zusammen und machen etwas gemeinsam – sie lernen gemeinsam oder starten ein Projekt, bauen eine Brücke oder veranstalten einen Gottesdienst. Solche kleinen Dinge können aber sehr wichtig sein! Aus diesen kleinen Erfolgen schöpfen wir Kraft.

Sind Erfolgsgeschichten, klein oder groß, zu wenig in Massenmedien präsent?
Medien sind in vielen Fällen auf Negatives fokussiert. Journalisten hören sich selten um – ob jemand Lösungsideen oder Friedenspläne hat, seien sie auch noch so utopisch. Man kann allerdings nicht den Journalisten allein den Schwarzen Peter zuschieben. Sie stehen oft unter Druck und müssen mitunter über Regionen berichten, mit denen sie nicht vertraut sind.

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