Ghanas Elektroschrottberge wachsen weiter

Von Redaktion · · 2012/11

Ghanas Hightech-Hölle, SWM 6/2009

Trotz einer neuen EU-Richtlinie gelangt nach wie vor giftiger Elektronikschrott aus Europa nach Ghana.

Der Rauch brennt in den Augen. In der Luft hängt der Gestank von verbranntem Plastik, Kot und lange verfaulten Lebensmitteln. Der Boden ist warm. Irgendjemand hat hier vor kurzer Zeit Plastik, Papier und Schaumstoff abgefackelt. Agbogbloshie, düsterstes und dreckigstes Viertel in Ghanas Hauptstadt Accra, zieht noch immer jeden Tag hunderte Burschen an. Sie kramen sich durch die alten Computergehäuse, schmeißen längst aussortierte Monitore mit voller Wucht auf den Boden und nehmen kaputte Tastaturen auseinander. Vielleicht lässt sich etwas Wertvolles aus den alten Elektrogeräten herausholen. Zum Beispiel Kupfer, das besonders begehrte Metall, das ein paar Cedi bringt. Das Geld sichert dem Finder die nächste warme Mahlzeit oder ein neues Schulbuch.

Dabei sollten die Elektroschrottberge aus der Europäischen Union bereits seit knapp zwei Jahren kontinuierlich schrumpfen. Im März 2011 entschieden sich die EU-UmweltministerInnen nach langer Diskussion für eine neue Richtlinie. Ziel dieser ist, bis 2016 45 Prozent aller alten Elektrogeräte aus Europa zu sammeln und zu recyceln. Bis 2019 sollen es sogar 65 Prozent sein.

Umweltaktivist Mike Anane, der seit neun Jahren illegale Mülltransporte aus Europa in sein Heimatland Ghana dokumentiert und fast täglich nach Agbogbloshie kommt, hebt das Plastikgehäuse eines Druckers auf. Die kurze Gebrauchsanweisung ist noch gut auf Deutsch, Französisch und Englisch zu lesen. Auf einem anderen kleben Reste von Benutzerhinweisen in Schwedisch. Anane muss nicht lange stöbern, um weitere Beispiele zu finden. Daran ändern auch neue Verordnungen aus Europa, wo jede Einwohnerin und jeder Einwohner statistisch gesehen jährlich 20 Kilogramm Elektroschrott produziert, nichts. „In Ghana haben wir deshalb nicht weniger Müll.“

Nach einer Untersuchung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) könnte Ghana nun aber vor einer weiteren Herausforderung stehen. Laut der Studie steigt der im Land selbst produzierte elektronische Abfall stark an. Die Bevölkerung wächst und mit ihr die Mittelschicht. Diese kann sich neue Handys, die gerne als ultimatives Statussymbol genutzt werden, und Laptops leisten. Asiatische Billigware überschwemmt ohnehin die gesamte Region. 30 Prozent des Elektroschrotts sollen, so die UNEP-Untersuchung, deshalb schon heute durch Inlandskonsum verursacht werden.

Mike Anane ist bei diesen Zahlen allerdings mehr als skeptisch. Wenn er im Hafen von Accra unterwegs ist, beobachtet er die riesigen Lieferungen aus Europa, den Vereinigten Staaten, Kanada und Australien. „In einem armen Land wie Ghana gibt es diese Wegwerf-Gesellschaft nicht. 99 Prozent des Schrotts von Agbogbloshie stammt weiterhin aus den Industrieländern“, sagt er überzeugt.

Den Burschen von der Mülldeponie ist es egal, wem die alten Computer, Kühlschränke und Handys einst gehört haben. In Flipflops und mit pechschwarzen Händen stehen sie neben Mike Anane. Er spricht mit ihnen. „Viele der Burschen werden nicht einmal 20 Jahre alt“, sagt Anane fast beiläufig. An der riesigen gesundheitlichen Belastung für die kleinen Kupferschmelzer und Aluminium-Sammler wird sich wahrscheinlich auch in Zukunft nichts ändern.
Katrin Gänsler

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