Globalisierung im Kochtopf – Der weite kulinarische Horizont

Von Miriam Wiegele · · 2003/12

Exquisites Essen gehört im Moment zum Lifestyle. Auf vielen Fernsehkanälen kann man mehr oder weniger gute Fernsehköche und -köchinnen am Werken sehen. Und fast jede Zeitung bringt Gastro-Kritiken, beschreibt die neuesten Trendlokale und deren Küche. Gleichzeitig regieren Fast Food und Einheitsbrei, die vor allem für die Industrie praktisch sind.

An sich bedeutet Fast Food „schnelles Essen“. Es ist für Menschen gedacht, die wenig Zeit haben und keine Probleme mit einer „Außer-Haus-Verpflegung“, welche ohne traditionelle Esskultur auskommt. Ursprünglich wurden vor allem die Hamburger als typisches Fast Food angesehen, weil man sie auch im Gehen verzehren kann. Mittlerweile haben sich zahlreiche Schnell-Imbiss-Spezialitäten als Fast Food etabliert. Sie werden sowohl im Schnell-Imbiss-Lokal in Plastik-Geschirr serviert oder beim Drive-In in handlichem Abfallmaterial angeboten: Chicken McNugget, Currywürstchen, Pizza, Döner oder Sushi. Das Fast Food ist international geworden, und wie praktisch, man kann es sich nun auch gleich ins Haus liefern lassen. Ob in Schnellimbissketten in Moskau, Johannesburg oder ins Heim gebracht im Südburgenland, überall kann man nun diese Produkte in gleich bleibend eintöniger Geschmacksqualität genießen. Die Globalisierung unserer Nahrungsmittel hat auch vor den Rohprodukten nicht halt gemacht. Erdbeeren aus Israel zu Weihnachten in jedem Supermarkt, computergesteuerte fade Tomaten aus Glashäusern rund um den Erdball das ganze Jahr hindurch ebenso wie die berühmt gewordenen „Tricolore“-Paprika, gelb, rot und grün plastikartig glänzend und ebenso schmeckend. Überall das selbe Angebot. Dazu gibt es Kiwis aus Neuseeland, die angeblich mehr Vitamin C enthalten als unsere Äpfel und deshalb vielleicht sogar gesünder sein könnten, und Orangen aus Übersee. Sie sind nicht nur kostengünstiger für die Vermarktungskonzerne, sondern das ganze Jahr hindurch verfügbar. Die Globalisierung unserer Nahrungsmittel hat also auch dazu geführt, dass wir „zeitlos“ geworden sind. Dieses saisonunabhängige eintönige Angebot wird uns auch permanent von Fernsehköchen vermittelt. Sie kreieren „Wintergerichte“ mit Tomaten und kochen im Sommer Risotto mit dem typischen Wintergemüse Rote Rüben. Die traditionelle Chinesische Medizin, aber auch unser gesunder europäischer Menschenverstand sagen uns, dass es ganz wichtig für unsere Energie ist, wenn wir zur richtigen Zeit die jeweils hierzulande verfügbaren Nahrungsmittel verspeisen. Mit Pommes frites, Hawaii-Steak und Spaghetti hat sie begonnen – die Internationalisierung unserer Küche. Diese Erweiterung unseres kulinarischen Horizonts war sicher ursprünglich ein Resultat der Reiselust, die durch die Wirtschaftswunderjahre nach dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst wurde. Fondue und Cordon Bleu fanden Eingang ins entlegenste Dorfgasthaus, während regionale Gerichte wie Kärntner Kasnudeln, Grammelknödel oder Mohntorte von den Speisekarten verschwanden. Diesem Trend kamen die aus dem Boden schießenden Lokale mit chinesischer, indischer, italienischer, türkischer – die Reihe könnte endlos fortgesetzt werden – Küche entgegen. Wenn wir wollen, können wir täglich auf Weltreise durch die Küchen dieser Welt gehen. Marillenmarmelade oder Aprikosenkonfitüre? Bei dieser Frage begann das österreichische Nationalbewusstsein plötzlich aufzuflammen. Nicht nur die ÖsterreicherInnen definieren sich in besonderem Ausmaß über ihre Küchensprache und die Besonderheiten der nationalen Küche. Neben den Schönheiten der heimatlichen Landschaft, diversen Kulturgütern oder erfolgreichen Fußballmannschaften ist die Küche eines der wesentlichen Elemente, aus denen der Nationalstolz gespeist wird. Dem Essen scheint, über den physiologischen Aspekt hinaus, eine bedeutungstragende Qualität eigen zu sein. Mutters Küche und der Muttersprache ist gemein, dass sie beide über die Zunge und den Gaumen vermittelt werden. Es scheint also wesentlich zu sein, was man isst und was man nicht isst, um das zu sein, was man ist: Österreicher, Deutscher, Franzose, Italiener etc. Neben Convencience-Produkten (s.S. 30) und Fast Food-Trend gibt es auch eine Rückbesinnung auf die heimische Küche. Der Wunsch nach Qualität ist ebenfalls bemerkbar. Österreich kann sich glücklich schätzen, eine durchschnittlich sehr hohe Anzahl an Bio-Bauernhöfen zu haben. Auch das Netz an Verkaufsläden ist gut, so dass es eigentlich jedem möglich ist, sich mit Bio-Produkten aus der Region zu versorgen. Menschen. die solche Produkte bevorzugen, sind nicht nur bewusster was Nahrung betrifft, sondern stehen auch dem üblichen Welthandel kritischer gegenüber. Fair Trade, also Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Respekt und Transparenz basiert, ist nicht mehr bloß ein Schlagwort. Bleibt zu hoffen, dass die Mehrheit der Bevölkerung, die noch am eintönigen Nahrungseinheitsbrei festhält, eines Tages den Wunsch nach mehr Qualität entwickelt. Immer wieder ist nachzulesen, dass die österreichische Küche, die oft auch als Wiener Küche bezeichnet wird, ein Resultat des Vielvölkerreiches der Habsburger-Monarchie sei. Das mag schon stimmen, aber auch die einzelnen Nationalküchen wie die ungarische, „jugoslawische“ oder die italienische sind das Ergebnis vieler Völkerwanderungen und des Römischen Imperiums. Das, was wir als österreichische Küche betrachten, ist daher ein Ergebnis längst erfolgter Globalisierung. Es sollte also kein Problem sein, bestimmte Vorlieben fremder Küchen zu integrieren und in die autochthone heimische Küche einfließen zu lassen. Schlimm wird die Globalisierung in der Küche nur dann, wenn sie dazu führt, dass einige wenige Konzerne diktieren, was wir essen, und aus der Vielfalt der Küchen dieser Welt ein globaler Einheitsbrei wird.

Miriam Wiegele ist Ethno-Botanikerin und Publizistin. Sie lebt in Weiden im Burgenland.

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