Gracias!

Von Richard Solder · · 2023/Jul-Aug
© Illustration: Thomas Kussin

Der Journalist und Lateinamerika-Kenner Ralf Leonhard ist verstorben. Mit ihm geht etwas verloren.

An einem Montag im Mai erreichte uns die Nachricht über den Tod von Ralf Leonhard. Was für ein Schock! Ralf war ein Journalist, 68, der gerade noch für diverse Medien hervorragende Arbeit gemacht hatte.

Für das Südwind-Magazin schrieb er Jahrzehnte lang, vor allem zu Lateinamerika, wo er auch viele Jahre lebte. Und er stand einigen als Person sehr nah. Ich sehe ihn regelrecht vor mir bei unserem halbjährlichen „Zusammensitzen“ im erweiterten Kreis mit ehemaligen Mitarbeiter:innen. Oftmals hörte er sich in Diskussionen erst mal die Ausführungen der anderen an, nippte währenddessen an seinem Getränk und beobachtete. Und wenn er dann sprach, brachte er die Dinge genau auf den Punkt.

Seine Analysen, nüchtern und sachlich vorgetragen oder geschrieben, zeigten, wie viel kritisches Bewusstsein er in sich trug und wie viel Erfahrung er gesammelt hatte. Nie zu kurz kam zudem sein Sinn für Humor und Ironie, ob bei Wortmeldungen oder in seinen Texten – etwa, als er anlässlich des Rücktritts von Sebastian Kurz beim Theater Anleihen nahm und für die deutsche Tageszeitung Taz „Ein Drama in fünf Akten” verfasste.

Pionierarbeit. Auch in den vergangenen Jahren, als Ralf als Österreich-Korrespondent der Taz über die vielen Skandale hierzulande berichtete, behielt er stets im Auge, was in Nicaragua, Kolumbien oder Sri Lanka los war. Mir gefiel immer, dass man mit ihm über Regionen wie Zentralamerika sprechen konnte, als wäre es nicht weiter weg als Oberösterreich – er wusste um die aktuellen politischen Situationen, blieb neugierig, hatte oft gute Kontakte vor Ort.

Er gehörte zu jenen Journalist:innen, die durch ihre Arbeit Impulse für zivilgesellschaftliches Handeln setzen: etwa bei den Themen politische Einflussnahme der USA in Zentralamerika, weltweiter Rohstoffhandel, Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie oder die mediale Vernachlässigung des Globalen Südens.

Die Informationen, die Menschen wie Ralf oder etwa auch Werner Hörtner (lange Jahre Redakteur beim Südwind-Magazin und 2015 ebenfalls viel zu früh verstorben) lieferten, halfen Arbeitsgruppen, Forscher:innen und NGOs. Und einige dieser Initiativen konnten sich dann etablieren, man denke an die Clean Clothes-Kampagne oder das Netzwerk für ein Lieferkettengesetz.

Ralfs Rezept. Das Lieferkettengesetz nahm knapp nach seinem Tod die erste Hürde im EU-Parlament. Uns bleibt verwehrt zu erfahren, wie es der Journalist Ralf Leonhard kommentiert hätte.

Das Südwind-Magazin sieht sich seit jeher als offenes Medium, das nicht zuletzt von der Vielfalt der Autor:innen profitiert. Darunter sind immer wieder junge mit frischem Blick und eigenem Zugang – gerade in dieser Ausgabe haben wir zwei „Premieren“ (vgl. Seite 38 und Seite 44).

Was wir, ganz nach Ralf Leonhards Herangehensweise, angehenden Journalist:innen mitgeben können: Dieser wunderbare Job braucht Leidenschaft, Interesse, das Dranbleiben an Themen – und eine große Portion Genauigkeit und Sachlichkeit. Ein Hauch Ironie kann auch nie schaden, würde Ralf wohl einwerfen. Danke für alles, lieber Ralf!

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