Grasgrün und ungenießbar

Von Rupert Helm · · 1999/03

Die Ernte und der Handel von Bananen ist ein Wettlauf mit der Zeit.

Noch im grünen Zustand werden die rund 50 kg schweren Bananenbüschel von den Stauden abgeschnitten. Die Früchte – 20 Teile Stärke und ein Teil Zucker – werden erst im Verlauf der Reifung genießbar. An einer kleinen Seilbahn hängend, wird die grasgrüne Fracht zu den Packhäusern transportiert.

Nur keine Druckstellen und Schrammen verursachen, lautet das oberste Gebot an die Arbeiterschaft. Die KonsumentInnen wollen makellos gelbe Früchte im Supermarkt vorfinden. In der Packerei werden die Büschel gebadet, sortiert, in „Hände“ zerteilt und verpackt. Die Schnittstellen müssen mit einem Mittel gegen die Fäulnis versiegelt werden.

Mit Etiketten versehen, wandern sie binnen Minuten in die berühmten Bananenkartons zu 18 kg. LKWs oder Eisenbahn bringen die Kartons zum Exporthafen. Zwischen dem Schnitt und der Verladung in das Kühlschiff vergehen meist keine 48 Stunden.

Diese Bananenschiffe halten die kostbare Fracht bei exakt 13,2 Grad Celsius. Damit wird die Reifung verzögert, und die Ware erreicht zwölf Tage später noch immer im grünen, ungenießbaren Zustand einen europäischen Hafen. Sinkt die Temperatur auf dem Kühlschiff zu tief, werden die Bananen unansehnlich grau. Diese Früchte landen hinterher als Sonderangebote in den Märkten.

Die wirtschaftliche Katastrophe tritt dann ein, wenn irgendwo im Schiff Bananen zu reifen beginnen. Diese Früchte sondern kleine Mengen an Äthylen ab und stecken so die restliche Fracht an. „Schiffsreife“ heißt es, wenn im Zielhafen einzelne Container, im schlimmsten Fall das ganze Schiff, voll mit sonnengelben Früchten sind. Ein Schiff kann bis zu 200.000 Kartons laden. Diese Menge binnen weniger Tage auf Märkten loszuschlagen ist meist unmöglich, der Schaden riesig.

Noch schlimmer ist es, wenn die Bananen an den Schnittstellen zu faulen beginnen. Auch hier kann ein einziges Stück einen Container verderben.

Nachdem die Kühlschiffe gelöscht sind, wandern die Kartons in die regionalen Reifereien. Hier werden die Früchte behutsam auf 15 bis 18 Grad erwärmt und unter Zusatz des harmlosen Gases Äthylen langsam zur Reife gebracht. Die Kunst besteht nun darin, täglich genau die Menge reif zu haben, die der Einzelhandel benötigt.

Für alternative Bananenproduzenten stellt diese Logistikkette die große Herausforderung dar. Was nützen die feinsten Biobananen, wenn man es nicht schafft, sie im grünen Zustand in die europäischen Reifereien zu bringen?

Die großen Bananenkonzerne sind vielfach nicht bereit, fremde Ware auf ihren Schiffen mitzunehmen. Normale Handelsschiffe sind meist zu langsam und verfügen nicht über die notwendigen Kühleinrichtungen.

Eine kapverdische Genossenschaft mußte gleich beim ersten Versuch, Biobananen nach Europa zu bringen, Lehrgeld zahlen: Die Container waren irrtümlich zwei Tage in Lissabon in der Sonne gestanden, der Inhalt hinterher in einem Zustand, der sich weder als Bio noch als Sonderangebot an die Konsumenten bringen ließ.

Der Autor ist Verlagsleiter des SÜDWIND-Magazins mit gelegentlichen Ausflügen ins journalistische Fach.

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