Große Pläne für Uromi

Von Eva Reithofer-Haidacher · · 2011/11

Frederick Akhelumele hat jahrelang als Straßenzeitungsverkäufer in Graz gelebt. Nach Uromi in Nigeria zurückgekehrt, sagt der heutige Schuldirektor Missständen in seiner Heimat den Kampf an – und hofft auf das Bürgermeisteramt.

Die Stimmung ist angespannt. Mit verkrampften Händen sitzt der Schuldirektor Frederick Akhelumele an seinem Schreibtisch in der braun getünchten Direktion der Schule. Am Vortag sei eine Bank in Uromi überfallen worden, erklärt er. „Die Räuber sind entkommen, weil die wachhabenden Polizisten vor ihnen geflohen sind“, sagt der Schulleiter, also seien sie vielleicht noch in der Nähe. Ein schlechter Zeitpunkt für den Besuch einer Gruppe „Oyibos“, Weißer; sind diese und deren GastgeberInnen doch häufig Zielscheiben von Kriminellen.

Kidnapping, Raubüberfälle, Korruption, Drogenmissbrauch, Prostitution, Jugendarbeitslosigkeit – die Liste der Missstände, die Frederick Akhelumele aufzählt, ist lang. Die Lage sei schwierig hier im Bundesstaat Edo, doch nicht hoffnungslos. Der 45-Jährige hat vor, an einer Verbesserung aktiv mitzuwirken und im kommenden Jahr in seinem Wahlbezirk Esan Nord-Ost, zu dem Uromi gehört, als Spitzenkandidat der Partei ACN (Action Congress of Nigeria) anzutreten.

Dass er ein Macher ist, hat Frederick Akhelumele schon öfters bewiesen, sein Lebenslauf ist abenteuerlich: 1995 flüchtete er vor der brutalen Militärdiktatur Sani Abachas nach Europa und landete in Graz (siehe SWM 02/06 „Eine Schule für Uromi“). Acht Jahre lebt er dort, fünf davon als Verkäufer der Straßenzeitung MEGAPHON. „Die Regierung hat mir als Asylwerber keine andere Arbeitsmöglichkeit gegeben“, erinnert sich der Mathematiklehrer bitter. Doch er machte das Beste aus der Situation, knüpfte Kontakte, heiratete und bekam schließlich einen Aufenthaltstitel. Die Jobs, die ihm angeboten wurden, verhießen aber auch nicht die große Zukunft. Zuerst als Fließbandarbeiter, später als Monteur arbeitete er hart und sparte. Sein Ziel war es, zurückzukehren und in seinem eigentlichen Beruf sein Bestes zu geben. 2005 hat er es geschafft: Mithilfe eines steirischen Netzwerkes eröffnet er das „Holy Trinity“-Schulzentrum in Uromi, einer Stadt mit rund 74.000 EinwohnerInnen. Zu Beginn besuchten 123 Kinder die Schule, heute werden in dem Bildungszentrum 1.000 Kinder betreut, vom Kindergartenalter bis ins Gymnasium.

Als Frederick Akhelumele vor acht Jahren in den Bundesstaat Edo in Südnigeria zurückkehrte, war dieser in einem erbärmlichen Zustand: Massiver Wahlbetrug hatte Lucky Igbinedion von der PDP (People’s Democratic Party) gerade zum zweiten Mal zum Gouverneur gemacht. Seine Amtszeit war durch Korruption, Gewalt und Verrat gekennzeichnet. Mafia und Staat schienen dasselbe zu sein. In dieser Zeit verkam Edo State zum Zentrum des internationalen Frauenhandels. Im Jänner 2008 wurde Lucky Igbinedion wegen 142 Korruptionsfällen angeklagt, insgesamt soll er umgerechnet mehr als 24 Millionen US-Dollar gestohlen haben. Das Urteil fiel gnädig aus: Der Ex-Gouverneur, der mittlerweile das Land verlassen hatte, entkam einer fünfjährigen Gefängnisstrafe und musste lediglich 25.000 Dollar Strafe zahlen.

Die Gouverneurswahlen im April 2007 brachten wieder einen PDP-Kandidaten an die Macht. Diesmal aber wurde das Wahlergebnis angefochten, und das Gericht entschied im November 2008, dass der frühere Präsident des Gewerkschaftsdachverbandes und ACN-Kandidat Adams Oshiomole rechtmäßiger Gouverneur ist. „Ein guter Mann“, sagt Frederick Akhelumele. Eine Gesellschaft und ein politisches System lassen sich zwar nicht von heute auf morgen ändern, doch die Weichen für eine bessere Zukunft seien gestellt, meint er. Frederick Akhelumele möchte sein Scherflein dazu beitragen. Er möchte Bürgermeister von Uromi werden. In seinem politischen Programm spielt die Jugend eine wichtige Rolle: „Ich möchte ihre Begabungen fördern, um sie nicht zum Werkzeug in den Händen organisierter Kriminalität werden zu lassen.“ Ihm ist bewusst, dass die hohe Jugendarbeitslosigkeit nicht ohne Weiteres in den Griff zu bekommen sei, doch müsse der Nachwuchs seine Kräfte konstruktiv einsetzen: „Landwirtschaft soll die höchste Priorität bekommen, damit sich die jungen Menschen selbst erhalten können.“ In seinem Bildungszentrum in Uromi gehen SchülerInnen und LehrerInnen schon mit gutem Beispiel voran. Ziegen werden im Hof gehalten, die Kinder bauen Papaya, Mango und Melanzani an und verkaufen sie am Markt. Mit dem Geld wird Kreide und anderes Schulmaterial eingekauft.

Frederick Akhelumele will als politisches Oberhaupt von Uromi „Diener der Leute sein, für jeden ansprechbar“. Seine Regierung soll offen sein, gleichzeitig müssen strenge Regeln gelten, um die Korruption einzudämmen. Frederick Akhelumele hat viel vor. Vorerst aber muss die Wahl, die eigentlich für Juni 2011 anberaumt war, stattfinden. Der Gouverneur, der den Wahltermin ansetzt, hat sie schon zweimal verschoben.

Eva Reithofer-Haidacher ist MEGAPHON-Redakteurin und freischaffende Journalistin in Graz. Sie hat im Sommer Nigeria bereist.

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