Gute Nische, schlechter Rahmen?

Von Redaktion · · 2002/07

Fairer Handel: Chance oder Feigenblatt für Österreich und die EU? Diese Frage stellten wir Außenministerin Benita Ferrero-Waldner und dem dem Wirtschaftswissenschaftler Josef Weidacher.


Benita Ferrero-Waldner

Fair Trade ermöglicht mehr als 5 Millionen Kleinbäuerinnen und – bauern und LandarbeiterInnen in Entwicklungsländern eine langfristige Existenzsicherung. Garantierte Preise und Abnahmemengen geben den ProduzentInnen Sicherheit, die über das tägliche Überleben hinausreicht. Der Faire Handel ist daher ein innovatives Modell für eine gerechtere Art des Wirtschaftens. Sein breiter Erfolg zeigt, dass es bei weitem kein Feigenblatt für das schlechte Gewissen von KonsumentInnenen und Wirtschaft ist. Auch international kommt dem Modell Fair Trade wachsende Bedeutung zu in der Debatte rund um die Einbindung von Entwicklungsländern in das internationale Wirtschaftssystem. Der Faire Handel hat dabei eine Vorreiter- und Vorbildrolle, denn er beweist, dass ein gerechteres Wirtschaften möglich und für alle Beteiligten nutzbringend ist.
Als wirkungsvolle Form der Entwicklungszusammenarbeit habe ich deshalb die Initiative von TransFair seit ihrem Start in Österreich unterstützt, so auch die aktuelle Fair Trade Marketingkampagne. Der Faire Handel ist ein Anliegen, das über die Parteigrenzen hinweg in Österreich unumstritten ist, wie auch ein unlängst von allen vier Parlamentsparteien angenommener Entschließungsantrag beweist. Ich habe daher eine Studie in Auftrag geben lassen, welche die Möglichkeiten der Berücksichtigung von Fair Trade im öffentlichen Beschaffungswesen untersucht. Sie kommt zu dem erfreulichen Ergebnis, dass die Beschaffung fair gehandelten Kaffees durch öffentliche Einrichtungen des Bundes mit guten Gründen als rechtlich unbedenklich bezeichnet werden kann, sofern der Auftragswert pro Jahr und Ressort nicht den Schwellenwert von derzeit rund _ 160.000,- überschreitet. Es liegt daher in der Verantwortung jeder öffentlichen Dienststelle, fair gehandelte Produkte anzuschaffen. Ich habe daher angeordnet, dass im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufgrund der nunmehr klaren Rechtslage im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens fair gehandelter Kaffe angekauft wird.

Im Rahmen der EU ist Österreich jenes Land, das den Fairen Handel immer wieder thematisiert. So haben wir dieses Thema in den Verhandlungen um die neue Cotonou-Konvention aufgebracht, was schließlich auch seinen Niederschlag in dieser unlängst von Österreich ratifizierten Konvention fand.
Fair Trade ist eine Möglichkeit Gutes zu tun: Gutes für sich, denn Fair Trade Produkte unterliegen einer hohen Qualitätskontrolle und Gutes für Andere, denn man kann sicher sein, dass auch ein Teil des Kaufpreises beim Produzenten ankommt. Für mich ist klar: Fair Trade ist eine Chance für alle.



Josef Weidacher

Die Politik hat den fairen Handel entdeckt! Nachdem sie jahrelang dieses von NGOs geschaffene Entwicklungsprojekt ignoriert hat, werden jetzt einstimmige parlamentarische Resolutionen verabschiedet, der faire Handel wird als zukunftsfähiges Modell gepriesen, es gibt Subventionen für Werbung und Marktforschung, Parlamente und Ministerien stellen auf TransFair Kaffee um und es ist leichter geworden, bei öffentlichen Ausschreibungen fair gehandelte Produkte zu spezifizieren.
Das ist alles sehr begrüßenswert. Aber bevor man an einen Gesinnungswandel glauben kann, müsste es zu einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Handel mit den Entwicklungsländern kommen. Trotz gewisser Fortschritte liegt die Sache hier noch im Argen, und es gibt sogar Verschlechterungen. So wurde z. B. vor kurzem bei uns die Umsatzsteuer für Kaffe, Tee und Kakao verdoppelt und es bestehen noch immer – wenn auch reduzierte – Zölle für diese für den fairen Handel so wichtigen Produkte. Noch schlimmer ist die Lage bei Waren, die auch in der EU produziert werden.

Allein mit ihrer Zuckermarktordnung schadet die EU den Entwicklungsländern mehr als der faire Handel je wieder gut machen kann. So verlieren z. B. die Philippinen laut Weltbank aus diesem Titel 50 Mio.US-Dollar pro Jahr. Ähnliches gilt für Textilien, wo die EU (nicht nur sie) das Auslaufen des restriktiven Multi-Fibre-Arrangements verzögert. Die Zeitschrift The Economist, die wahrlich nicht von Gutmenschen geschrieben wird, schätzt den Gesamtverlust der Entwicklungsländer durch Handelshemmnisse auf über 700 Milliarden US-Dollar im Jahr, eine Summe, welche die offiziellen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit weit in den Schatten stellt. Und selbst in diesem Bereich ist die Bilanz Österreichs kein Ruhmesblatt. Unser Land gibt nur 0,21% seines BSPs für die Entwicklungszusammenarbeit aus, weit weniger als die auch nicht berauschenden 0,33% für die EU insgesamt – die OECD empfiehlt 0,7%.
Angesichts dieses Auseinanderklaffens von Rhetorik und Realität kommen doch Zweifel auf, ob die Politik den Fairen Handel nicht einfach als Feigenblatt verwendet, hinter dem sie die Interessen der heimischen Lobbys vertritt, und ob dieses Projekt– trotz seines unbestrittenen Nutzens für die Entwicklungsländer – nicht auch dazu beiträgt, ihre strukturelle Benachteiligung zu verfestigen.

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