Herausfordernde Ungleichheit

Von Christine Enzi · · 2005/01

Sogenannte PRSPs (Poverty Reduction Strategy Papers) sind die eigentlichen Instrumente der Armutsbekämpfung. Ein Blick in die Praxis am Beispiel Uganda.

Die Millennium Development Goals (MDGs) sind seit einigen Jahren das wohl wichtigste Referenzwerk, wenn man vom Thema Armutsbekämpfung spricht. Das übergeordnete Ziel des für die internationale Gemeinschaft so wichtigen Aktionsplans ist die Halbierung des Anteils der in absoluter Armut lebenden Menschen weltweit bis zum Jahr 2015. Die MDGs enthalten zwar umfassende entwicklungspolitische Rahmenvorgaben, sie sind jedoch kein direktes Umsetzungsinstrument. Diese Aufgabe erfüllen in den einzelnen Ländern die so genannten „Poverty Reduction Strategy Papers“ (PRSPs). Die auf der Jahrestagung von IWF und Weltbank 1999 beschlossene Initiative ist einer der wichtigsten Schritte zur Umsetzung der MDGs.
Diese nationalen Fahrpläne beschreiben länderspezifische Maßnahmen und Programme zur Minderung der Armut.
Mit der PRSP-Initiative sind seit ihrer Existenz viele Hoffnungen verbunden. Ein Teil dieser Erwartungen hat sich bereits relativiert. Dennoch steht das seit 1999 bestehende Instrument für einen reformatorischen Ansatz in den einseitigen Nord-Süd-Beziehungen. PRSPs stehen – zumindest dem programmatischen Ansatz nach – für eine vollkommen veränderte Struktur in der Nord-Süd-Zusammenarbeit: Entwicklungsländer werden durch die PRSPs (im Idealfall zumindest) zu selbst bestimmenden Akteuren – unter dem Schlagwort „The country in the driver’s seat“ – , und formulieren ihre eigenen Armutsbekämpfungsstrategien aufgrund länderspezifischer Kenntnisse und Interessen und unter Beteiligung unterschiedlichster Interessengruppen wie etwa der Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft. Produzieren müssen ein solches Papier all jene Länder, die sich für die HIPC (Heavily Indebted Poor Country)-Initiative zum Schuldenerlass qualifiziert haben.

Uganda hat schon Ende der 1990er Jahre mit der Umsetzung von Armutsbekämpfungsstrategien begonnen: zwischen 1995 und 1997 wurde mit dem „Poverty Eradication Action Plan“ (PEAP) eine umfassende diesbezügliche Strategie entwickelt. Weltbank und IWF akzeptierten eine überarbeitete Version des PEAP als PRSP. Uganda reichte somit als erstes Land im März 2000 ein vollständiges PRSP ein.
Die Strategie zur Armutsbekämpfung beruht im Fall von Uganda auf vier Säulen: Schaffung eines Rahmens für Wirtschaftswachstum und -transformation, Good Governance und Sicherheit, Stärkung der Produktivität und der Einkommensmöglichkeiten der armen Bevölkerung, sowie Maßnahmen zur direkten Verbesserung der Lebensqualität der Armen. Das PRSP wurde im Jahr 2003 überarbeitet und an aktuelle Gegebenheiten angepasst. Die Zielsetzungen des PEAP, also des PRSP von Uganda, und der MDGs sind in ihren Grundzügen ident und unterscheiden sich im Wesentlichen nur durch ihre quantitativen Ausprägungen: Die Ziele des PEAP hinsichtlich Armut, Grundschulbildung, HIV/ Aids und Wasser sind ambitionierter als die Millenniumsziele, während wiederum die angestrebten Ziele der MDGs bezüglich Gendergerechtigkeit im Bereich Bildung, bezüglich Kinder- und Müttersterblichkeit um einiges ehrgeiziger sind als jene des PEAP.
Ein PRSP soll im Idealfall unter reger Partizipation diverser zivilgesellschaftlicher Gruppen erarbeitet werden – so schreiben es die Richtlinien der Weltbank vor. Dem Partizipationsprozess in Uganda wird ein relativ gutes Zeugnis ausgestellt. Wichtig für diesen Prozess sind die „Civil Society Task Forces“ sowie das nationale Armutsforum. NGOs sind in gewissen Bereichen sogar in Kontrollmechanismen involviert. Dies ist im Vergleich mit anderen PRSP-Staaten eine Seltenheit. Zumeist wird in der Zusammenarbeit mit NGOs die Stufe der Information/Konsultation nicht überschritten.

Armut wird im PRSP von Uganda durchaus auch über nicht-monetäre Ausprägungen definiert, dennoch werden Veränderungen in diesem Bereich hauptsächlich über Einkommensarmut gemessen. Das Ziel, die Einkommensarmut bis 2017 auf 10% der Bevölkerung zu reduzieren, könnte beim derzeitigen Trend durchaus erreicht werden (1997: 44%, 2000: 35%). Allerdings muss klar hervorgehoben werden, dass die Armut im Norden des Landes nicht reduziert werden konnte, sondern, im Gegenteil, sogar noch gestiegen ist. 66% der Bevölkerung gelten dort weiterhin als arm. Die Ungleichheit zwischen dem Norden und dem Rest des Landes hat sich enorm verschärft. Erfolge und Misserfolge werden von offizieller Seite fast ausschließlich mit dem Wirtschaftswachstum in Verbindung gebracht. Hier spiegelt sich – wie leider in fast allen PRSP-Ländern – die Tatsache wider, dass dem Wirtschaftswachstum die zentrale Rolle bei der Armutsreduktion zugeschrieben wird.
Wachstumsraten sind nicht nur im Falle von Uganda sondern in allen bisherigen PRSPs diverser Länder das am klarsten definierte Ziel, ohne jedoch genauer darauf einzugehen, wie wirtschaftliches Wachstum der ärmsten Bevölkerungsschicht zugute kommen soll. Im PRSP von Uganda wird von einer jährlichen Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes von 7% ausgegangen. Dieses Ziel konnte in den letzen Jahren jedoch bei weitem nicht erreicht werden. Zwischen 1990 und 2002 betrug das Wachstum laut Human Development Report (HDR) des Weltentwicklungsprogrammes UNDP 2004 lediglich 3,9%. Selbst wenn die angestrebten Wachstumszahlen erreicht werden sollten, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieses Wachstum den Armen zugute kommt, also „pro-poor“ ist. Einem der wichtigsten Anliegen des PRSP-Prozesses wird somit keine Rechnung gezollt.

Bei einigen wichtigen MDG-/PRSP-Sozialindikatoren hinkt Uganda seinen Zielen hinterher, bei anderen kann das Land jedoch gewisse Erfolge verbuchen. Im Bildungsbereich gibt es seit der Regierungsinitiative „Universelle Grundbildung für alle“ eine Befreiung von den Schulgebühren. Die Einschulungsrate im Grundschulbereich ist in Uganda in den letzten Jahren gestiegen und betrug 2001 79%. Auch wenn von Seiten der Weltbank noch keine neueren Zahlen zur Verfügung stehen, so kann vermutet werden, dass das PEAP-Ziel (98% bis 2003) nicht erreicht werden konnte. Die größten Probleme im Bildungsbereich sind die Aufrechterhaltung der Qualität der Bildung sowie die hohe Dropout-Quote. Hinsichtlich der Kindersterblichkeit haben sich die Zahlen in den letzen zehn Jahren nicht verbessert. Bis 2005 soll das PEAP-Ziel „68 Tote pro 1.000 Geburten“ erreicht werden – im Jahr 2002 betrug die Anzahl noch 83/1.000. Die Ziele des PRSP konnten bis dato also nicht erreicht werden, somit rücken auch die Erfolgschancen zur Erreichung des diesbezüglichen Endziels (31 pro 1.000 bis 2015) in weite Ferne. Ähnlich verhält es sich mit der Sterblichkeit von Kindern unter 5 Jahren. Diese Indikatoren hängen mit sehr vielen anderen Bereichen (z.B. Zugang zu Wasser und Gesundheitsvorsorge, Sicherheit) zusammen und sind daher besonders aussagekräftig.
2001 wurden auch im Gesundheitsbereich die Benutzergebühren abgeschafft. Während sich die Situation rund um die Krankheit Malaria eher verschlechtert, gilt Uganda in Bezug auf die Bekämpfung der Infektionskrankheit Aids als vorbildlich. Im PRSP des Landes wurde das Ziel definiert, die Anzahl der HIV-Infizierten bis 2005 auf 5% der Bevölkerung zu reduzieren. Laut HDR 2004 konnte dieses Ziel mit 4,1% im Jahr 2003 bereits erreicht werden.
Soweit nur einige Beispiele und Zahlen aus Uganda. Zusammenfassend kann man festhalten, dass zu den größten Herausforderungen des Landes bezüglich der Armutsbekämpfung das ungleiche Wachstum, ungleiche regionale Fortschritte in der Armutsreduktion und ungleiche Verteilung des Wachstums, sowie der mangelnde Fortschritt bei einigen wichtigen Sozialindikatoren (v.a. Kindersterblichkeit) gehören. Des weiteren bedarf es einer strukturellen Transformation der Wirtschaft (z. B. Diversifizierung der Exportwirtschaft), sowie der Umsetzung der Einsicht, dass Genderungleichheiten die angestrebten Erfolge verhindern. In Uganda wird die vollständige Erfüllung der MDG/PRSP-Ziele wohl – wie in den meisten Ländern – hauptsächlich an enormen Finanzierungslücken scheitern. Das Land hat auch nach Erfüllen der Voraussetzungen der HIPC-Initiative kein tragbares Schuldenmaß erreicht und verwendet weiterhin einen beträchtlichen Teil seiner Exporteinnahmen für den Schuldendienst. Es würde zumindest eines 63%igen Anstieges des Budgets bedürfen, um alle geplanten Armutsbekämpfungsmaßnahmen umzusetzen.

Die Autorin war während ihrer Studienjahre in verschiedenen entwicklungspolitischen Organisationen in Wien als Praktikantin tätig (ÖFSE, VIDC, Südwind-Agentur), schrieb ihre Diplomarbeit zum Thema PRSP und arbeitet jetzt im Bereich Marketing/PR.

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