Hoffen auf Wind und Sonne

Von Margarete Endl · · 2013/04

600 Millionen AfrikanerInnen haben derzeit keinen Zugang zu Strom. Doch das Potenzial für Wind- und Solarenergie ist riesig.

Es war schon unzählige Male zuvor passiert: In einem Stadtviertel in Douala in Kamerun fiel der Strom aus. Den ganzen Abend lag das Viertel im Dunkeln. Die Menschen behalfen sich mit Kerzen. So auch Williams Nya Tchami. Um elf Uhr nachts ging der Vater von vier Kindern aus dem Haus, um frische Luft zu schnappen, und verschloss die Tür. Plötzlich brannte das Haus lichterloh – vielleicht die Kerze, vielleicht ein Kurzschluss, als der Strom wieder kam. Nachbarn erzählen, dass die Kinder drinnen im Haus schrien, während ihr Vater panisch versuchte, die Tür zu öffnen. Sie hatte sich verzogen. Die Kinder verbrannten.

Am nächsten Morgen, den 12. Februar 2013, marschierten die geschockten Nachbarinnen und Nachbarn zur Zentrale des kamerunischen Stromversorgers Aes-Sonel. Wütend hielten sie Fotos der verstorbenen Kinder hoch. Ganz Kamerun zeigte sich erschüttert.„Kamerun ist eigentlich mit Wasserkraft gesegnet“, sagt Daniel Ayuk Mbi Egbe, ein in Linz lebender Kameruner und Mitbegründer des Netzwerks Ansole, das erneuerbare Energien in Afrika fördern will. „Das Problem ist, dass die bestehenden Kraftwerke nicht ausreichen, um den steigenden Bedarf zu decken. Deswegen kommt es regelmäßig zu Stromausfällen“, so der Wissenschaftler.

Energiearmut nennt man in Österreich den Zustand, wenn sich Menschen das Heizen kaum leisten können. Für 1,3 Milliarden Menschen auf der Erde heißt Energiearmut, überhaupt keinen Strom zu haben, oder nur ganz selten. In Afrika südlich der Sahara hatten 2010 laut der Internationalen Energieagentur (IEA) rund 590 Millionen Menschen keinen Strom. In den Entwicklungsländern Asiens waren es 630 Millionen Menschen.

Afrika südlich der Sahara verbrauchte laut IEA-Zahlen aus 2009 zudem 633.000 Gigawattstunden Strom jährlich. Das ist ungefähr so viel Strom wie Deutschland allein verbraucht (rund 600.000 Gigawattstunden). Stromproduktion und -verbrauch sind in Afrika höchst ungleich verteilt: Der Anteil von Südafrika liegt jeweils bei 40 Prozent.

Die Hoffnung: Afrikas Potenzial für Solar- und Windenergie ist riesig. „Allein mit den Windressourcen von Äthiopien und Kenia könnte der südliche Teil Afrikas mit Strom versorgt werden“, betonte Adnan Amin, Generaldirektor der Internationalen Organisation für Erneuerbare Energien (IRENA) Anfang Februar im Rahmen einer Konferenz in Wien.

2012 hat Äthiopien den ersten Windpark mit 34 Windrädern errichtet, in einem Joint Venture mit dem chinesischen Hersteller Goldwind. Seit drei Jahren kooperiert Äthiopien beim Ausbau seiner Stromproduktion mit China, sie hat sich seither verdreifacht. China finanzierte zudem eine Analyse von Äthiopiens Möglichkeiten bei Wind, Sonne und Wasserkraft: „Es ist uns bewusst geworden, dass unser Land ein Potenzial von mehr als 1,3 Millionen Megawatt aus Windressourcen1) und mehr als zwei Millionen Terawattstunden Solarenergie2) jährlich hat“, sagte Äthiopiens Energieminister Alemayehu Tegenu anlässlich der Präsentation der Studie im August 2012.

Auch Kamerun setzt auf ausländische Investoren, um sein Solarpotenzial zu verwirklichen. 2012 ging die Regierung eine Kooperation mit dem südkoreanischen Konzern Hanwha Group und der irischen Investmentgesellschaft Investricity ein, um Photovoltaikanlagen mit insgesamt 500 Megawatt Leistung zu installieren. Dadurch sollen 250 Ortschaften mit Solarstrom versorgt werden, die bisher gar keinen Strom hatten.

Die entscheidenden Fragen für Afrika werden sein, woher das Kapital für den Ausbau der Stromproduktion kommt – und ob auf dezentrale Lösungen wie Photovoltaikanlagen oder auf zentrale wie große Windparks und Wasserkraftwerke gesetzt wird. Und, wie weit das technologische Wissen von außen kommt oder von den AfrikanerInnen selbst weiterentwickelt werden kann.

Margarete Endl ist Journalistin in Wien. Sie schreibt über Energie, Forschung und soziale Themen für Tageszeitungen sowie Fachmagazine und arbeitet für Freak Radio – ein Radio für Menschen mit Behinderungen.

1) Zum Vergleich: Österreichs bisher errichtete Windkraftanlagen hatten Ende 2012 eine Kapazität von 1.378 MW, bis 2020 sollen die Anlagen auf 3.000 MW ausgebaut werden.
2) Deutschland, das Land mit der weltweit höchsten Solarstromerzeugung, produzierte 2012 28 Terawattstunden Strom aus Photovoltaikanlagen.

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