Hungern und Fasten

Von World Watch Institute · · 2000/04

Chronischer Hunger und Fettleibigkeit halten sich auf der Welt erstmals die Waage. Die Chance auf gute Ernährung für alle wurde in diesem Jahrhundert nicht genutzt, geht aus einer Studie des Worldwatch Institutes hervor.

Nach einem Bericht des in Washington DC ansässigen Worldwatch Institutes gibt es erstmals in der Geschichte ebenso viele übergewichtige wie untergewichtige Menschen auf der Erde. Während die Zahl der unterernährten Menschen weltweit seit 1980 leicht auf 1.1 Milliarden zurückging, stieg jene der Übergewichtigen auf ebenfalls 1.1 Milliarden an.

„Die Hungrigen und die Übergewichtigen sind oft krank, haben eine geringere Lebenserwartung und eine geringere Produktivität, was die Entwicklung des Landes hemmt“, berichtet Gary Gardner, Co-Autor der Studie („Underfed and Overfed: The Global Epidemic of Malnutrition“).

„Im Jahrhundert mit den größten Möglichkeiten, die Fehlernährung weltweit zu beenden, erreichte sie anstattdessen neue Rekorde“, sagt Gardener.

In den Ländern des Südends ist fast jedes dritte Kind unterernährt. In Afrika nimmt die Zahl der unterernährten Kinder – absolut und prozentuell – sogar zu.

Gleeichzeitig stieg in den vergangenen Jahrzehnten die Zahl der Übergewichtigen rasant an. In den Vereinigten Staaten sind mehr als 55% der erwachsenen Bevölkerung übergewichtig. 23 Prozent der amerikanischen Erwachsenen sind sogar fettleibig. Dieser Trend macht auch vor den Kindern nicht halt. Eins von fünf amerikanischen Kindern ist übergewichtig.

Die Folgen von Hunger und Übergewicht können allerdings sehr verschieden sein. Hunger trifft Kinder am härtesten. Ihre Abwehrkräfte gegenüber Infektionskrankheiten oder Durchfällen schwinden rapide. Die Folgen sind permanente mentale und physische Beeinträchtigungen bis hin zum Tod. Übergewicht zeigt seine Auswirkungen, wie Herzerkrankungen und Zuckerkrankheit, meist erst im Erwachsenenalter.

Die Länder des Nordens wie die Länder des Südens zahlen einen hohen Preis für die Fehlernährung ihrer Bevölkerungen. Die Weltbank schätzt, dass der Hunger Indien 1996 zwischen 3 und 9 Prozent des BSP kostete. Die Fettleibigkeit der Amerikaner verschlang in der USA in den späten 90er-Jahren jedes Jahr 12 Prozent des nationale Gesundheitsbudgets, 118 Milliarden Dollar pro Jahr.

Überraschender Weise steigt die Zahl der übergewichtigen und fettleibigen Personen in den Entwicklungsländern ebenfalls an. „Sehr oft haben die Länder des Südens Hunger gegen Fettsucht getauscht, Krankheiten der Armut gegen Krankheiten des Überflusses“, sagt der Co-Autor Brian Halweil. In Brasilien zum Beispiel sind 36%, in Kolumbien 41% der Bevölkerung übergewichtig. Dies entspricht der Rate vieler europäischer Länder.

„Es ist ein Mythos, dass Hunger aus einer Knappheit von Nahrungsmitteln entsteht, in Wahrheit sind es ungleiche Verteilung und Geschlechterdiskriminierung, durch die den Hungrigen dieser Erde ausreichende Nahrung vorenthalten wird“, sagt Halweil. So leben 80 Prozent der weltweit hungernden Kinder in Ländern mit einer Nahrungsmittelüberproduktion. Die Gemeinsamkeit beim Hunger in armen wie in reichen Ländern ist die Armut.

Für die meisten Staaten ist ein guter Ernährungsstand keine Priorität. Aber auch Länder mit ökonomischen Schwierigkeiten können mit der richtigen Politik die Zahl der Unterernährten signifikant senken. Kuba und auch der indische Teilstaat Kerala waren mit ihren Programmen gegen die Fehlernährung bemerkenswert erfolgreich. Beide Staaten konzentrierten sich auf die schwächsten Gruppen in der Bevölkerung, Frauen und Kinder. Und beide Regierungen ermöglichen einen breiten Zugang zum Gesundheits- und Ausbildungssystem.

Wie eine Studie in 63 Ländern aus dem Jahr 1999 zeigt, können Verbesserungen bei der Ausbildung von Frauen, dem Zugang zu Gesundheitsdiensten und des Lebensumfeldes zu einem Rückgang der Zahl der unterernährten Kinder um 75% führen.

Ins Deutsche übertragen von Benjamin Kuscher.

http://www.wolrdwatch.org

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