I love Dollars

Von Martina Seehuber · · 2009/11

Zhu Wen

Erzählungen. Aus dem Chinesischen von Frank Meinshausen. A1 Verlag, München 2009, 360 Seiten, EUR 20,40

Man stelle sich zu den sechs Geschichten dieses Buches den modernen, chinesischen, jungen Herrn K. Franz Kafkas vor und man wird nicht enttäuscht werden: Alle noch so alltäglichen Wege der jungen Herrn in diesem Buch, wie etwa die Fahrt auf dem Fahrrad, ein Spaziergang durch die Stadt, ein Krankenhausbesuch oder eine Schifffahrt, münden in skurrile und spiralenförmige Situationen, aus denen sie nicht herauszukommen drohen. Und in denen sich alles um vier Dinge zu drehen scheint: Sex, Macht, Gewalt und vor allem Geld.

So möchte einmal ein junger Mann eine Schifffahrt unternehmen, was dazu führt, dass er eine verklemmte, fremde Frau heiraten soll, die er in der Kabine, gemeinsam mit vier Männern, die eine Leiche transportieren, kennen lernt.

Ein anderes Mal läuft er mit seinem Vater durch die Großstadt, auf der Suche nach Glück und Spaß, nach der nächsten sexuellen Befriedigung. Er scheint nur von einem Motto geleitet zu sein: Befriedigung gegen Geld. Und: Geld hat einen Wert und schafft Werte. Diese Ansicht kann sein Vater gar nicht teilen: inmitten der dicken Luft der Großstadt hängen ausgesprochene und unausgesprochene unterschiedliche Ansichten und Gefühle der beiden Männer, die versuchen, sich zu finden, und sich schlussendlich doch verlieren.

Am Krankenbett eines Mannes sitzt ein Junge, und wieder geht es um Macht, und um Ohnmacht. Am Ende hilft der Junge dem alten Mann und tut damit einer Bekannten, die behauptet seine Freundin zu sein, einen großen Gefallen, bevor er mitten in der Nacht endgültig aus dem Krankenhaus verschwindet.

Dadurch, dass die Geschichten von kafkaesken Momenten durchzogen und von witzigem Zynismus geprägt sind, wird enorme Spannung erzeugt, sodass es eine Freude ist, von einer Geschichte in die nächste einzutauchen. Anfangs etwas oberflächlich erscheinend, wirft der Autor mit den Themen Sex, Macht, Gewalt und Geld nur so um sich, was aber bei weiterem Lesen in eine unglaubliche Tiefe vordringt, die das Verhältnis des kommunistischen China zu kapitalistischen Werten aufzeigt und diesem in der Gestalt der jungen Männer eine äußerst menschliche Form gibt.

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