„Ich würde gerne Gespenster sehen“

Von Redaktion · · 2014/11

Vieles von dem, was man im Westen über Laos weiß, verdankt man den Dr. Siri–Büchern von Colin Cotterill. Südwind-Redakteurin Irmgard Kirchner sprach mit dem international erfolgreichen Krimi-Autor per Skype.

Südwind-Magazin: Laos ist ein Land außerhalb des Fokus internationaler Aufmerksamkeit. Stimmen Sie dem zu?
Colin Cotterill:
Wenn wir den Vietnamkrieg aussparen, ja. Heute wissen viele Menschen gar nicht, dass es das Land Laos gibt, geschweige denn, was dort passiert.

In einem Interview haben Sie Ihre Bücher als den umfangreichsten Bestand faktenbasierter Erzählliteratur über Laos bezeichnet. Trifft das noch zu?
Ich glaube, meine Bücher sind immer noch die einzige Literatur aus der Sicht eines Lao-Charakters. Es gibt wenige Schriftsteller in Laos. Und es gibt immer noch eine starke Zensur.

Teilen Sie Dr. Siris Meinung über den Kommunismus, der – sinngemäß – ein brillantes Konzept ist, aber an den durchführenden Menschen scheitert?
Dr. Siris Meinungen sind im allgemeinen meine. Wenn ich sehe, dass es irgendwo funktioniert, ändere ich meine Meinung.

Ihre Erfahrungen mit Laos erstrecken sich über einen langen Zeitraum. Welche Veränderungen sind zu bemerken?
In den 1970er und 1980er Jahren begannen die Regierenden, ihre Kinder zum Studium ins Ausland zu schicken. Daher gibt es eine Generation, die Fertigkeiten im Geschäftemachen, im Handel und in internationalen Beziehungen hat. Jetzt kommt diese Generation in Machtpositionen. Das Land entwickelt sich in Richtung eines kapitalistischen Landes. Menschen, die das Land in den 1970er Jahren verlassen haben, werden eingeladen, mit ihren Ersparnissen zurückzukehren – um Geschäfte aufzubauen.  Der Wandel ist – zumindest in den Städten – stark sichtbar. Man muss allerdings nicht sehr weit von den Städten wegfahren, um das alte Laos zu finden. Es gibt immer noch Dörfer ohne Strom – ungeachtet dessen, dass Laos Strom nach Thailand exportiert.

Laos ist eines der letzten marxistisch-leninistischen Länder der Welt. Wird das Regime von einer Opposition oder von der Zivilgesellschaft in Frage gestellt?
Man kann nicht aufstehen und sagen, was man sagen möchte. Sombath Somphone ist ein gutes Beispiel dafür (siehe Beitrag Seite 12; Anm. d. Red.). Die einzige Opposition bilden Laoten, die im Ausland leben. Und die haben in Laos keinen großen Einfluss.
Die Menschen in Laos sind zu sehr mit dem Geldmachen beschäftigt, um eine Revolution zu beginnen.

Colin Cotterill, geboren 1952 in Großbritannien, begab sich nach seinem Pädagogikstudium auf eine bis heute andauernde Weltreise. In den 1990er Jahren verbrachte er vier Jahre in Laos und arbeitete dort im Bildungswesen. Derzeit lebt der Schriftsteller und Cartoonist in Thailand.

Seine mehrfach ausgezeichneten Laos-Krimis rund um den Pathologen Dr. Siri Paiboun wurden in 14 Sprachen übersetzt. Bisher sind sieben auch auf Deutsch erschienen, zuletzt: „Grabgesang für Dr. Siri – Dr. Siri ermittelt 7“, Manhattan, München 2014. (Es empfiehlt sich die chronologische Lektüre).

In Ihren Dr. Siri-Romanen spielt der Schamanismus eine große Rolle.
Offiziell ist Laos ein buddhistisches Land. Doch die laotische Version von Buddhismus ist stark von animistischen Praktiken geprägt. Die Menschen verehren und respektieren die Geister und sie gehen in den Tempel und holen sich den Rat von den Mönchen. Bei der Machtübernahme haben die Kommunisten versucht, den Buddhismus zu unterwerfen. Im ganzen Land gab es nur mehr 1.000 Mönche. Der buddhistische Mönch war aber oft der Sozialarbeiter, der Jugendarbeiter, der Ratgeber, der Arzt. Ohne Mönche haben sich die Leute wieder den Schamanen zugewendet. Im Dorfleben sind sie noch immer sehr wichtig.

Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Schamanismus?
Ich würde liebend gerne mit Geistern in Kontakt treten, ich würde sehr gerne Gespenster sehen. Allerdings gelingt es mir nicht. Um den Kontakt herzustellen, habe ich mich an furchterregende Plätze begeben. Einmal bin ich ein Haus gezogen, in dem ein Geist wohnte, der eines im Krieg gestorbenen Generals. Alle Nachbarn haben das Gespenst gesehen, nur ich nicht. Obwohl ich zwei Jahre lang dort gewohnt habe.
Der buddhistische Tempel in der Nähe meines Hauses hatte einen Raum für einen Schamanen. Ich habe ihn besucht und mit ihm gesprochen. Ein Großteil meiner Erfahrungen mit dem Schamanismus in Laos kommt von dieser Beziehung.
Übrigens: Das Land heißt Lao, so wird es ausgesprochen. Die Franzosen konnten den Namen nicht aussprechen, ohne ein „s“ dranzuhängen. Der Rest der Welt glaubt nun, dass er das „s“ aussprechen muss. Mittlerweile sprechen es auch die Laoten selbst falsch aus.

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