Auf literarischer Entdeckungsreise im Süden

Von Liesl Ujvary · · 2001/07

Artauds Buch über die Tarahumaras empfand ich damals als ganz persönliche Botschaft – nachdem mein Interesse an diesem Indianerstamm einmal geweckt war, suchte und fand ich immer wieder Bücher, die dieses Interesse immer von neuem belebten. Wie etwa dieses schöne Buch von Claus Deimel. Fast schien es, als suche die abendländische Seele hartnäckig nach einem Fluchtloch aus unserem Kosmos voll bequemer Technik und vernünftiger Gewalt. Und ganz folgerichtig wurden diese Ausflüchte gerade in jenen Regionen gesucht, die schon seit Jahrhunderten als häretisch galten, als feindlich, fremd und falsch und gegen die mit den Waffen der Religion, der Wirtschaft und der Wissenschaft Ausrottungskriege geführt wurden.

Mit den Indianern hat man die Bevölkerung eines ganzen Kontinents entrechtet, unterjocht, ausgeraubt, vertrieben, missioniert und zivilisiert. „Die Tarahumaras leben so, als gingen unsere Projekte sie nichts an“, lesen wir in einem Jesuitenbericht aus dem 17. Jh. „Ihre Kommunikation“, schreibt Claus Deimel, „stellt eine beständige Konfliktvermeidung dar. Respekt vor den anderen, ausgedrückt in: ‚Du weisst es selbst am besten‘, ist die Bedingung der Gemeinschaft. Gehen zwei aneinander vorbei, sagen sie ‚ma‘, gehen. Sie wiederholen gern die Worte ihres Gesprächspartners; körperliche Berührungen und Augenkontakte werden vermieden; manchmal sind zwei zu beobachten, die sich von der Seite oder hintereinander stehend oder sitzend unterhalten. Zur Begrüßung streicht man sich flüchtig, wenn überhaupt, über die hingehaltene Handfläche. Besucher warten in einiger Entfernung vor dem Gehöft, machen sich durch Husten oder helle Schreie bemerkbar, kommen dann unaufgefordert herein.“ Ich bewunderte die kulturelle Resistenz der Tarahumaras, meine Identität als Schriftstellerin wurde durch die Lektüre wesentlich geschärft.

Claus Deimel: Tarahumara. Indianer im Norden Mexikos. Frankfurt, Syndikat 1980.

Die Schriftstellerin Liesl Ujvary, geboren in Pressburg, lebt in Wien. Texte, Bilder, Musik. Zuletzt erschienener Roman: Das reine Gehirn (Ritter Verlag, Klagenfurt).

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