Ikonen der Weiblichkeit

Von Werner Hörtner · · 2001/09

Der bolivianische Künstler Sol Mateo, der auch einige Jahre in Wien lebte, stellt Maria in den Mittelpunkt seines Werks – doch die tugendhafte Gottesmutter ist für ihn auch Venus, Jeanne d’Arc und Magdalena.

Die Kunst hat sich in eine Mode verwandelt, die vom etablierten Geschmack und natürlich vom Geld abhängt. Unter den Fahnen der Manipulierung wurden fast unüberwindbare Barrieren errichtet. Galerien und Museen sind exklusive Tempel der Heiligen Kühe“, schreibt der Bolivianer Sol Mateo in seinem ‚MANIFEST NUMMER EINS‘. Und fordert: „Die Kunst muß die Straßen wiedererobern.“

Und die Eroberung des öffentlichen Raums für die Kunst ist denn auch eines der Hauptanliegen des vor 45 Jahren in La Paz geborenen vielseitigen Kulturschaffenden. Ob in einer Fußgängerzone in einem Einkaufszentrum der bolivianischen Hauptstadt, im südbrasilianischen Porto Alegre oder in europäischen Städten: Sol Mateo liebt es, seine Bilder den überraschten Blicken einer vorerst unbeteiligten Öffentlichkeit zu präsentieren. Bilder, die beim ersten Hinsehen oft wie ein Verschnitt aus Plakatwerbung mit sinnlich-süßen Heiligenikonen anmuten: Nackte Frauenkörper, die mit ihren aus dem katholischen Symbolschatz stammenden Attributen eine melancholische Attraktion ausüben, mit ihrer lasziven Weiblichkeit eine Aura von Schuld und Sünde ausstrahlen.

Doch gerade gegen diese Assoziation wendet sich der südamerikanische Künstler. „Die Prostitution der Körper am freien Markt charakterisiert die Doppelmoral dieser heuchlerischen und repressiven Gesellschaft. Ins Feuer mit dem Feuer! Ich benutze Bilder, die den Werbestrategien oder dem perversen Königreich des Internet ähnlich sind, um zu verwirren und zum Nachdenken anzuregen.“ Und im Handumdrehen wendet sich die ominöse Schuld, die die Frauenkörper in ihrer Pose und ihrem Arrangement auszudrücken scheinen, gegen den Betrachter, der sich plötzlich als Voyeur ertappt fühlt.

Bei der Kunstmesse Wien im Mai dieses Jahres war Sol Mateo der einzige Teilnehmer aus Lateinamerika. Seine vorher einzige Ausstellung in der österreichischen Hauptstadt fand nicht ganz zufällig in einem „einschlägigen Etablissement“ statt, im Hotel Orient im Zentrum Wiens, wo der Bolivianer an einem einzigen Tag, an einem Sonntag Ende April 1998, eine Video-Installation und seine Reihe „María Sangrante“ zeigte. Die Variationen der „Blutigen Maria“ haben Sol Mateo sein ganzes künstlerisches Leben hindurch begleitet, denn Maria ist für ihn die Frau schlechthin. „Maria ist mein zentrales Programm. Maria, Frau ohne Sünde und ohne Tugend. Maria ist Eva, ist Venus, ist Jeanne d’Arc, ist Magdalena, sie ist die Jungfrau und die Hure, das Mädchen, das man mieten kann – sie ist meine Mutter.“

Der gelernte Architekt – worauf noch seine Vorliebe für das Skulpturhafte und für Installationen hinweist – ist als Maler Autodidakt. Anfang der 90-er Jahre gründet er in La Paz „El Socavón“, ein experimentelles Zentrum für Kunst, Theater und Musik. Die Heirat mit einer Österreicherin lässt Sol Mateo für vier Jahre nach Wien ziehen, das nun die Basis für seine künstlerischen Aktivitäten in Europa wird. 1997 nimmt er an der Biennale von Venedig teil, 1998 an der großen Madrider Kunstmesse „Arco“.

Dann zieht es den Bolivianer mit seiner Familie wieder in die Heimat zurück. In ein Land und einen Kontinent, die er als trauriges Abfallprodukt des globalen Ausbeutungssystems betrachtet und erleidet. „Die Geschichte Amerikas ist auf Bergen von Lügen gebaut und in Blut gebadet. Die neuen Kolonialherren tragen die Namen von Banken und transnationalen Konzernen.“

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